Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

Unsere „eisernen Tore“

Lesedauer: 22 Minuten

„Sie kamen an das eiserne Tor, das in die Stadt führte, das sich ihnen von selbst öffnete.“ 

Apostelgeschichte 12:10

Als Jesus in Gethsemane der Menge entgegentrat, die aus Jerusalem gekommen war, um ihn zu verhaften, zog Petrus sein Schwert und schlug bei dem Versuch, Jesus von seinen Feinden zu befreien, einem Knecht des Hohepriesters das Ohr ab. Jesus gebot Petrus, sein Schwert einzustecken, und erklärte, dass er seinen Vater nur zu bitten brauchte und er zwölf Legionen Engel senden würde, um ihn zu beschützen und zu befreien. (Matthäus 26:51-53)

Später, als Jesus vor Pilatus stand, der Behauptung beschuldigt, ein König zu sein, war dieser römische Statthalter etwas gereizt, weil der Meister so verschlossen war. Er fragte Jesus, ob ihm nicht die Würde seiner Stellung bekannt sei, und was es für ihn bedeuten würde, ein günstiges Urteil von ihm zu erhalten. Jesus aber antwortete: „Du hättest keinerlei Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.“ (Johannes 19:11)

Diese beiden Aussprüche, durch die Jesus sein vollständiges Vertrauen zu seines Vaters überwaltender Vorsehung in seinem Leben bewies, sollten eine Quelle großen Vertrauens für uns sein, die wir in seinen Fußstapfen nachfolgen. Obgleich Jesus nicht erwartete, dass sein himmlischer Vater ihn aus aller Bedrängnis befreien würde, hatte er keinen Zweifel an der Fähigkeit Gottes, dies zu tun. Er war sich bewusst, dass er für die Sünden der Welt sterben sollte. Wenn er von Leiden und Tod verschont bleiben sollte, wie sollten denn, so fragte er selbst, „die Schriften erfüllt werden, dass es so geschehen muss?“ (Matthäus 26:54)

Kurz nachdem Jesus seinen Dienst angetreten hatte, fingen die religiösen Führer Israels an, ihre Gegnerschaft zu zeigen. Sie hätten ihn gerne früher beseitigt, als sie es getan haben. Jesus wusste dies und vermied Situationen, die ihnen die gewünschte Gelegenheit dazu gegeben hätte. Sein himmlischer Vater wirkte dabei mit, und wir dürfen sicher sein, dass alle Gewalten des römischen Weltreiches, wären sie von den eifersüchtigen Feinden des Meisters gewonnen worden, nicht ein Haar seines Hauptes hätten berühren können, bevor „seine Stunde“ gekommen war.

In Gottes Plan war aber eine bestimmte Zeit festgesetzt, in welcher der Erlöser sein Leben für die Sünden der Welt hingeben sollte. Jesus wusste es, als diese Zeit gekommen war. Er sagte zu seinen Jüngern, kurz bevor er nach Jerusalem ging, um mit ihnen zum letzten Mal das Passah zu feiern, dass er dort verhaftet und getötet werden würde. Er wusste, dass dies Gottes Wille für ihn war.

Es ist wahr, zwölf Legionen Engel standen bereit, um ihn vor Schaden zu bewahren. Diese waren weit mächtiger als alle Legionen Roms. Pilatus wäre unfähig gewesen, etwas gegen den Meister zu unternehmen, wäre es nicht von Gott zugelassen gewesen. Jesus aber wusste, dass er nach dem Willen seines Vaters sterben sollte, deshalb bat er nicht darum, dass die zwölf Legionen Engel ihn vor seinen Feinden schützen sollten. Jetzt, da seine Stunde gekommen war, war für ihn der Tod der einzige Ausweg aus der Prüfung.

Wir wandeln in seinen Fußstapfen

Wie Jesus sind wir auch in dieser Welt. Wir haben gelobt, in seinen Fußstapfen zu wandeln und mit ihm „gekreuzigt“ zu werden. Das ist ein hartes Wort! Wir wissen, was es für Jesus bedeutete, gekreuzigt zu werden. Wir verwenden das Wort häufig, um unsere eigenen Erfahrungen zu beschreiben, wenn wir uns bemühen, in seinen Fußstapfen zu wandeln, und doch mögen wir uns gleichzeitig fragen, warum wir so schwere Prüfungen haben, warum der Herr uns nicht aus unseren Feuerofen-Erfahrungen befreit, und uns gestattet, die augenscheinliche Freude und den Frieden zu genießen, welche das Leben anderer Christen zu erfüllen scheinen.

Es gibt viele Verheißungen, die uns der Fähigkeit und Bereitwilligkeit Gottes versichern, uns vor Schaden zu bewahren. David sagt: „Wer im Schutz des Höchsten sitzt, wird bleiben im Schatten des Allmächtigen.“ (Psalm 91:1) Ja, der Allmächtige ist heute ebenso fähig, jene „zwölf Legionen“ Engel zu senden, um uns zu beschützen, wie er es war, als Jesus den Händen seiner Feinde ausgeliefert wurde.

Aber bei uns gibt es, ebenso wie bei Jesus, eine „rechte Zeit“ und einen „bestimmten Weg“ der Befreiung. Die Lektion, die wir lernen müssen, ist demnach einfaches Vertrauen auf unseren Gott und demütige Unterwerfung unter seinen Willen. Jesus sagte: „Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ (Matthäus 26:39) Dennoch wünschte Jesus, dass lieber seines himmlischen Vaters Wille geschehe, als dass er vom Leiden befreit würde. Das sollte auch unser Verhalten in jeder Prüfung, jeder Mühsal, jeder Ratlosigkeit, jeder Enttäuschung, und in jeder unseren Glauben erprobenden Erfahrung sein, in die wir geraten.

Gottes Wille für Petrus

Unser Text berichtet von einer wunderbaren Vorsehung Gottes im Leben des Apostels Petrus. Die wunderbare Macht Gottes wurde durch einen Engel angewandt, um den Apostel aus dem Gefängnis und vom Tode durch die Hand des Herodes zu befreien. Diese Befreiung geschah nicht, weil es zu jener Zeit der allgemeine Plan Gottes war, alle seine Geweihten vor körperlichem Schaden zu bewahren, sondern, weil Petrus einen Dienst für ihn zu verrichten und weitere Lektionen zu lernen hatte.

Zu Beginn des Kapitels werden wir unterrichtet, dass Herodes „die Hände an einige derer von der Versammlung“ legte, „um sie zu misshandeln; er ließ aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert töten“. (Apostelgeschichte 12:1,2) Kein Engel wurde gesandt, um diese Tötung zu verhindern. Wir dürfen nicht glauben, dass dies geschah, weil Jakobus dem Herrn nicht treu war. Gott hatte für ihn nur einen anderen Weg des „Entrinnens“. Gottes überwaltende Fürsorge für sein Volk wird nicht immer auf dieselbe Weise kundgetan.

Als Herodes weiter „die Hände anlegte“, wurde Petrus gefangen und eingekerkert. Mit dieser Tat versuchte Herodes, den Juden zu gefallen, über die er als Vertreter des römischen Kaisers herrschte. Es war die Zeit des Passah, und er war mit den jüdischen Bräuchen hinlänglich vertraut, um zu erkennen, dass das Interesse der Juden völlig in Anspruch genommen sein würde, bis diese Tage vorüber waren; darum entschied er sich, Petrus solange im Gefängnis zu behalten, um ihn dann vorzuführen und seine öffentliche Hinrichtung zu veranstalten.

Inzwischen aber betete die Versammlung. Wir können uns nicht vorstellen, dass diese geweihten Christen von Gott „forderten“, dass er seine Macht einsetze, um Petrus zu beschützen. Sie hatten zweifellos auch für Jakobus gebetet, der „getötet“ wurde „mit dem Schwert“. Auch Jesus betete, als er in Gethsemane war – „Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Im Falle Jesu war es aber nicht „möglich“, d.h. es war nicht des Herrn Wille für ihn.

Ebenso war es nicht des Herrn Wille, dass Jakobus vor dem Tode durch die Hand des Herodes bewahrt wurde. Die Jünger verloren jedoch nicht ihren Glauben. Sie beteten auch für Petrus. Es war des Vaters Wille, dass Petrus auch sterben sollte, wie sein Meister starb. Jesus hatte dies vorausgesagt. (Siehe Johannes 21:18,19) Doch wie es bei Jesus war, so war es auch bei Petrus, und so ist es bei jedem von uns; für alle unsere Erfahrungen gibt es eine „bestimmte Zeit“, und diesmal war es für Petrus noch nicht die bestimmte Zeit, seinen Lauf im Tode zu beenden.

Petrus wurde, so lesen wir, „in dem Gefängnis bewacht; aber von der Versammlung wurde anhaltend für ihn zu Gott gebetet.“ (Vers 5) Welch ein Bild lässt dies vor unserem geistigen Auge erstehen! Petrus im Gefängnis, die Versammlung außerhalb desselben – im Haus der Maria, der Mutter des Markus – betend. Diese in den Tod geweihten Jünger waren nicht sicher, ob die Hände des Herodes nicht auch sie erreichen würden, aber sie beteten für Petrus.

Petrus indessen „schlief“ gefesselt zwischen zwei Kriegsknechten. Welch ein Beispiel von Glauben! Gefesselt zwischen zwei Wächtern, im Gefängnis gehalten, mit der über ihm schwebenden Drohung einer Hinrichtung, und Petrus schlief. Er hatte ein solches Vertrauen in den Herrn, dass er in der Lage war, alles vollständig in dessen Hände zu legen. Denn er wusste, dass, was auch Gottes Wille für ihn sein mochte, dies zu seinem Besten sein würde.

Petrus, der so außerordentlich aufgeregt war, als Jesus verhaftet wurde, und der sein Schwert zu gebrauchen suchte, um den Meister von seinen Feinden zu befreien, hatte seine Lektion gelernt. Er hatte sie so vollständig gelernt, dass er jetzt, als er ebenfalls in Haft gehalten und mit dem Tode bedroht war, sich niederlegen und schlafen konnte, den Ausgang seiner Erfahrung völlig dem Herrn überlassend. Dieser Umstand erinnert uns an Davids Verhalten. Als er von seinen Feinden hart bedrängt wurde, schrieb er: „HERR! Wie zahlreich sind meine Bedränger! Viele erheben sich gegen mich. Viele sagen von meiner Seele: Bei Gott ist keine Rettung für ihn! – Sela. Du aber, HERR, bist ein Schild um mich her, meine Herrlichkeit und der, der mein Haupt emporhebt. Mit meiner Stimme rufe ich zu dem HERRN, und er antwortet mir von seinem heiligen Berg. – Sela. Ich legte mich nieder und schlief; ich erwachte, denn der HERR stützt mich.“ (Psalm 3:1-5)

So war es auch bei Petrus. Er wusste, dass der Herr sein Schild und seine Rettung war, darum „schlief“ er. Auch Petrus „erwachte“, weil der Herr ihn stützte. Ein Engel des Herrn erschien ihm und „schlug Petrus an die Seite“. Der Engel weckte Petrus und sagte zu ihm: „Stehe schnell auf!“

Was für ein überraschendes und zugleich glückliches Erwachen das gewesen sein muss! Als Petrus voller Glauben einschlief, gefesselt zwischen den zwei Wächtern, mag ihm der Gedanke durch den Sinn geflogen sein, dass er womöglich von ihnen geschlagen, geweckt und zu seiner Hinrichtung getrieben würde; doch er konnte sich kaum vorstellen, dass er von einem Engel geweckt werden würde.

Und er wurde nicht nur geweckt, sondern auch, seine Fesseln fielen ab, und ihm wurde geboten, aufzustehen. Er wurde geheißen, sich zu gürten, seine Sandalen anzulegen und dem Engel zu folgen. Petrus gehorchte. Das war ein Hinweis, dass er das Gefängnis verlassen sollte. Aber wie? Es ist wahr, er war nicht mehr durch Ketten an seine Wächter gebunden, aber er war noch im Gefängnis eingeschlossen. Wie sollte er entkommen? Würde er nicht durch andere Wächter aufgegriffen, und könnte er hoffen, durch die Tore des Gefängnisses in die Freiheit draußen zu gelangen?

Diese Fragen mögen Petrus aufgestiegen sein, aber der Bericht sagt nichts darüber. Wir wissen nur, dass Petrus dem Engel „folgte“ und nicht wusste, was eigentlich geschah. Er war sich nicht sicher, ob er tatsächlich wach war. Vielleicht dachte er: Ich träume nur oder habe nur eine Erscheinung. Das Wesentliche aber ist, dass er „folgte“.

Ja, Petrus folgte dem Engel des Herrn und handelte genauso, wie er angewiesen wurde. Hierin liegt eine Lektion für alle vom Volk des Herrn, wenn sie ihre schweren Prüfungen durchmachen. Der Herr sendet uns stets einen Engel, um durch diese Prüfungen zu führen. Als „dienstbare Geister“ sind sie stets nahe, um uns zu helfen und zu leiten. Glückselig sind wir, wenn wir ihren Anleitungen folgen!

Diese „Engel“ sprechen jetzt nicht hörbar zu uns, auch erscheinen sie nicht in sichtbarer Gestalt; aber sie sind in der Lage, unsere Erfahrungen derart zu überwalten, dass sie ein bestimmender und leitender Einfluss in unserem Leben werden. Wir sprechen oft von den Überwaltungen Gottes, aber sind wir uns bewusst, dass unsere „dienstbaren Geister“ diese Vorsehungen gestalten? Sie mögen uns nicht immer zu leichteren Bürden führen oder zu weniger feurigen Prüfungen, aber wenn wir ihnen folgen, dann führen sie uns bestimmt schließlich zu Sieg und Herrlichkeit.

„Von selbst“

Petrus folgte dem Engel „durch die erste und die zweite Wache“. Bis dahin gab es keine Hindernisse. Wer oder was war in der Lage, den Engel des Herrn aufzuhalten? Sie gelangten dann zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führte. Dies war offenbar die letzte Schranke, aber eine gewaltige. Wahrscheinlich war Petrus nun vollkommen wach und verstand, was vor sich ging. Fragte er sich, wie oder durch wen dieses eiserne Tor geöffnet würde?

Wir wissen es nicht. Der Bericht sagt nur, dass das Tor sich „von selbst“ öffnete. In unseren aufgeklärten Tagen moderner Erfindungen werden Tore und Türen durch „elektrische Augen“ geöffnet. Die der Tür sich nähernde Person durchschreitet einen magnetischen Stromkreis, der dadurch unterbrochen wird. Dies setzt einen elektrischen Mechanismus in Bewegung, der die Tür öffnet.

Keine derartige menschliche Erfindung öffnete das eiserne Tor jenes römischen Gefängnisses, in dem Petrus eingekerkert war. Der Herr hatte sein eigenes „elektrisches Auge“, das, als der Engel und Petrus sich dem eisernen Tore näherten, in Tätigkeit trat und es weit öffnete. Ja, es war ein Wunder, aber nur durch ein Wunder konnte der Herr seinen Diener befreien und ihn seinem Volk für weitere Dienste zur Verfügung stellen.

Petrus und der Engel schritten durch das eiserne Tor in die Freiheit, und dann entwich der Engel; er überließ es Petrus, seinen Weg zum Haus der Maria, zu seinen Freunden und Geschwistern zu finden, die für ihn beteten. Die direkten Dienste des Engels wurden nicht mehr benötigt, und dies erinnert uns daran, dass der Herr uns nur nach dem Maß tatsächlicher Notwendigkeit Hilfe gewährt. Er versieht uns mit unserem „täglichen Brot“ von Tag zu Tag, und nicht für ein Jahr im Voraus. 

Jenseits des eisernen Tores und außerhalb des Gefängnisses, als nun der Engel nicht mehr bei ihm war, dachte Petrus über die Bedeutung des Geschehens nach. Er gelangte zu der endgültigen Schlussfolgerung, dass es keine andere Erklärung gab, als dass der Herr ihm einen Engel gesandt hatte, um ihn zu befreien. Durch diese Erkenntnis gefestigt, suchte er das Haus der Maria auf, der Mutter des Markus. Dort beteten die Geschwister für ihn. Er klopfte an das Tor und lenkte zunächst nur die Aufmerksamkeit einer „Magd“ auf sich – eines Mädchens, das wahrscheinlich zu jung war, um mit ernstem Interesse an den Gebeten der Geschwister teilzunehmen.

Petrus wurde aber von ihr erkannt, und schnell berichtete sie es den anderen. Sie war jedoch zu aufgeregt, um auch an das Öffnen des Tores zu denken und Petrus einzulassen. Als sie den Geschwistern erzählte, dass Petrus draußen vor dem Tor sei, sagten diese zu ihr: „Du bist von Sinnen.“ Das zeigt nicht zwangsläufig, dass es den Geschwistern an Glauben an die Wirksamkeit ihrer Gebete fehlte. Einer von ihnen war bereits von Herodes getötet worden. Möglicherweise hatten sie daraus geschlossen, dass Petrus auch getötet würde.

Wahrscheinlich entsprachen ihre Gebete in der Art mehr dem von Jesus dargebrachten: „Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch (…) vorüber“ an Petrus. Wahrscheinlich war das Hauptgewicht ihrer Gebete, dass Petrus Gnade und Kraft empfangen möchte, diese schwere Erprobung zu bestehen. Und wie wunderbar wurden diese Gebete beantwortet! Es ist möglich, dass Petrus aufgrund solcher Gebete in der Lage war, sich hinzulegen und zu schlafen, während er an die beiden Wachen gekettet war. 

Gottes Vorsehung ist nicht immer die Gleiche für alle von seinem Volk. Jakobus wurde von Herodes getötet, aber Petrus wurde zu derselben Zeit vom Tode errettet – errettet für weiteren Dienst; errettet, um weiter die Schafe des Herrn zu weiden, wie er von Jesu beauftragt worden war; errettet, um durch Fortführung seines treuen Dienstes „seine Brüder“ weiter zu „stärken“, was, wie Jesus ebenfalls zu ihm gesagt hatte, sein besonderes Vorrecht sein würde.

Unsere „eisernen Tore“

Wenn wir auf die Erfahrungen Jesu und der Apostel zurückblicken, dann merken wir, wie wunderbar Gott mit ihnen umging und sie segnete; und fast wünschen wir, dass wir hätten dort sein und an einigen dieser packenden Begebenheiten teilnehmen können. Mitunter mag es so scheinen, als ob unser Wandeln mit dem Herrn viele außergewöhnliche Beweise entbehrt, dass der Herr uns tatsächlich zur Seite steht, dass seine Engel sich um uns lagern, dass jede Einzelheit unseres Lebens von seiner Weisheit überwaltet wird, dass wir durch seine Macht bewahrt und durch die Fülle seiner Gnade und Liebe geistig reich gemacht werden.

Aber haben wir daran gedacht, dass es größeren Glauben erfordert, dem Herrn zu vertrauen, wenn die äußeren Bekundungen seiner bewahrenden Macht schwer zu entdecken sind? Petrus konnte stets auf seine Erfahrung der Befreiung aus dem Gefängnis des Herodes zurückblicken als Beweis von Gottes überwaltender Vorsehung in seinem Leben. Derselbe war so deutlich, so auffallend, dass seine segensreichen und beruhigenden Folgen nicht übersehen werden konnten. Das Öffnen seines „eisernen Tors“ war eine bleibende Erinnerung an Gottes Macht, ihn vom Bösen zu befreien.

Wir alle müssen unsere „eisernen Tore“ durchschreiten. Und wenn wir der Leitung des Herrn folgen und unser Vertrauen völlig in ihn setzen, können unsere „eisernen Tore“ sich ebenfalls öffnen, sobald wir uns ihnen nähern – und wenn sie es tun, dann werden sie sich scheinbar von selbst öffnen. Wir müssen nicht den Versuch unternehmen, das Öffnen dieser „Tore“ zu erzwingen, um Prüfungen zu entgehen, von denen der Herr in seiner Weisheit sieht, dass wir sie nötig haben.

„In lieblichen Örtern“

Von Jesu steht prophetisch geschrieben: „Die Messschnüre sind mir gefallen in lieblichen Örtern; ja, ein schönes Erbteil ist mir geworden.“ (Psalm 16:6) Hierin liegt der Gedanke an die vorgeschriebenen Beschränkungen des Handelns oder der Erfahrung. Jesus hatte in einer abgemessenen Bahn zu wandeln, und um seinem Vater wohlgefällig zu sein, war es für ihn notwendig, sich innerhalb dieser Grenzlinien [Messschnüre] zu halten.

So war es bei Petrus, und so ist es auch bei uns. Das wird treffend dadurch veranschaulicht, wie Petrus aus dem Gefängnis geführt wurde. Er folgte dem Engel, der ihn durch die erste und zweite Wache und dann zum eisernen Tor führte, das sich von selbst öffnete. Wäre Petrus der Meinung gewesen, dass er einen besseren Ausweg aus jenem Gefängnis wusste, und wäre er dem Engel nicht gefolgt, wäre er nicht befreit worden.

Nehmen wir an, dass Petrus die Lage des eisernen Tores kannte, und als er erkannte, dass der Engel ihn direkt darauf zuführte, sich entschlossen hätte, einen anderen Weg zu nehmen in der Hoffnung, einen nicht so fest verschlossenen Ausweg zu finden. Wir wissen, was das Ergebnis gewesen sein würde.

Jener kurze Weg vom Gefängnisverlies an den Wachen vorbei und durch das eiserne Tor in die Freiheit könnte treffend unseren ganzen Wandel auf dem schmalen Weg veranschaulichen. Auf diesem „Weg“ sind unsere „Messschnüre“ der Richtung und der Beschränkungen „gefallen“. Es sind die in unserem Opferbund enthaltenen „Messschnüre“. Für Jesus waren diese Messschnüre „gefallen in lieblichen Örtern“, weil es seine Lust war, den Willen seines Vaters zu tun. Der Wille des Vaters an sich war nicht immer lieblich. Bei einer Gelegenheit betete er: „Wenn es möglich ist“, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber selbst jener „Kelch“ wurde lieblich in der sicheren Erkenntnis, dass der Vater denselben für ihn vorgesehen hatte.

So sollte es bei uns sein. Wir beginnen in unserem geweihten Leben mit dem Entschluss, dass wir nur den Willen des Herrn zu tun wünschen. Die „Messschnüre“, welche seinen Willen kennzeichnen, sind deutlich in seinem Wort zu verfolgen. Wir berufen uns auf seine Verheißungen, uns zu führen und uns für jede Zeit der Not Kraft zu verleihen. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass sein „Engel“ uns zur Seite ist, darum brauchen wir uns nicht zu fürchten.

Aber wie oft wundern wir uns über die Erfahrungen, welche wir auf uns zukommen sehen! Ist es nicht wahr, dass häufig, wenn wir am Morgen erwachen, wir uns fragen, vielleicht fast furchtsam, wie wir durch gewisse Erfahrungen hindurchkommen werden, von denen wir wissen, dass wir ihnen an diesem Tage begegnen werden? Es sind mitunter nur kleine Dinge, aber dennoch sind sie unsere „eisernen Tore“. Aber wenn wir dem „Engel“ folgen und nicht versuchen, in einer anderen Richtung zu gehen, welche uns zurzeit besser erscheinen mag, dann werden sie sich häufig „von selbst“ öffnen, sobald wir uns ihnen nähern.

Wenn wir alle die kleinen Erfahrungen unseres Lebens wohl beachten, dann werden wir finden, dass sich jeden Tag viele „eiserne Tore“ vor uns öffnen. Jeder Christ sollte an jedem Abend in der Lage sein, zurückzublicken und den Weg zu preisen, welchen der Herr ihn an diesem Tage geführt hat. Er sollte in der Lage sein, das Öffnen der „eisernen Tore“ zu erkennen und dem Herrn für die Fülle seiner Kraft, Weisheit, Barmherzigkeit und Liebe zu danken.

Im Fall von Petrus stand das „eiserne Tor“ zwischen ihm und der Freiheit. Aber noch wichtiger war, dass es auch zwischen ihm und dem Dienst für den Herrn und die Geschwister stand. Auch wir haben diese Art von „eisernem Tor“. Kein geweihter Nachfolger des Meisters ist zufrieden, wenn er nicht sein Möglichstes im Dienste des Herrn tun kann. Aber für alle von uns gibt es Hindernisse, „eiserne Tore“, die uns davon zurückhalten, so viel zu tun, wie wir tun möchten.

Bei manchen können es Familienbande sein, welche zu ändern der Herr in seiner Weisheit nicht für das Beste hält. Du kannst versuchen, sozusagen über dieses „eiserne Tor“ hinwegzuschauen und zu denken, wie wunderbar es wäre, wenn es sich nur „öffnen“ und dir gestatten würde, in den Dienst des Herrn hinauszugehen, wie Petrus es tat. Aber offenbar sind die „Messschnüre“ des Herrn für dich nicht so „gefallen“; zumindest noch nicht.

Vielleicht gibt es einen Dienst, den du innerhalb der durch dein „eisernes Tor“ geschlossen gehaltenen Grenzen verrichten kannst. Erinnere dich an den Fall von Paulus. Von der Zeit an, als er in Jerusalem durch die Römer in Schutzhaft genommen wurde, war er während seiner langen und ermattenden Erfahrungen auf dem Weg nach Rom und dann jahrelang als Gefangener in Rom innerhalb seines „eisernen Tores“. Der Engel des Herrn führte ihn nicht unmittelbar in die Freiheit, wie es bei Petrus der Fall war.

Aber Paulus fand dennoch Dienstgelegenheiten. Er gab den Fürsten und Herrschern Zeugnis, den Gefängniswärtern und vielen, die bei ihm vorsprachen. Von dort, hinter dem „eisernen Tor“ in Rom, sandte er Briefe an die Geschwister, um sie zu trösten und zu stärken. Welches also auch das „eiserne Tor“ sein mag, das dich an einem so ungezwungenen Dienen hindert, wie du es gern möchtest, ob es Familienbande, Krankheit, Mangel an Gelegenheit oder andere Umstände sind, lass die Angelegenheit in den Händen des Herrn. 

Petrus tat es. Gefesselt, zwischen den beiden Wächtern, schlief er ein. Wir können auch „schlafen“, d.h. im Herrn ruhen, auch wenn wir das Gefühl haben mögen, dass wir gefesselt und gebunden sind. Es hätte Petrus in jener Nacht nichts genützt, wach zu liegen und sich über die Ketten zu beunruhigen, welche ihn banden, oder über das eiserne Tor, das zwischen ihm und der Freiheit stand.

Als Paulus und Silas im Gefängnis zu Philippi waren, sangen sie Loblieder. Der Herr befreite sie auf seine eigene Weise, und in Verbindung mit ihrer Einkerkerung empfing der Gefängniswärter die Wahrheit. Lasst uns also danach streben, im Glauben zu „ruhen“ und uns in dem Herrn zu freuen, auf welcher Seite des „eisernen Tores“ unsere „Messschnüre“ auch gefallen sein mögen.

Wir mögen nach dem Sieg über eine Unvollkommenheit des Fleisches streben, eine Schwachheit, welche uns in unserem Fortschritt auf dem schmalen Wege binden oder zurückhalten mag. Der Herr kann für uns auch dieses „eiserne Tor“ öffnen, wenn und wann es sein Wille ist. Die Lektion, die er uns in all diesen Erfahrungen lernen lassen will, ist, dass er weiß, was für uns als Neue Schöpfungen in Christo Jesu das Beste ist. Glückselig sind wir, wenn wir diese Lektionen lernen und nie versuchen, unsere „eisernen Tore“ mit eigener Kraft aufzubrechen.

Wenn Petrus auf seine Befreiung aus dem Gefängnis zurückblickte, war eine der gesegneten Gewissheiten dafür, dass sie durch die überwaltende Vorsehung des Herrn geschah, die Tatsache, dass das eiserne Tor sich von selbst öffnete. Lasst uns nach ähnlichen Vorsehungen des Herrn in unserem Leben suchen. Ob der Herr unsere „eisernen Tore“ öffnet oder geschlossen hält, lasst uns eine solche Freude an dem Willen des Herrn haben, dass wir niemals versucht werden, uns selbst an den „Toren“ zu schaffen zu machen.

Wir könnten möglicherweise gewaltsam ein „eisernes Tor“ öffnen, das zwischen uns und dem steht, was wir gern tun möchten. Wenn wir es aber täten, wie könnten wir wissen, dass es vom Herrn geschah? Dies bedeutet nicht, dass wir in einer geistigen Gleichgültigkeit durch das Leben gehen und ein geringes oder gar kein Interesse an den Vorsehungen des Herrn haben sollten. Wenn wir dem Herrn völlig geweiht sind, auf seine Führung und seinen Segen achtgeben und darum beten, dann werden wir ihm ständig dienen wollen.

Wenn ein „eisernes Tor“ zwischen uns und seinem Dienst steht, dann werden wir ernsthaft wünschen, nur dann auf der anderen Seite desselben zu sein, wenn es sein Wille ist. Wenn es sich von selbst öffnet, dann werden wir uns freuen und mit Eifer in das so möglich gewordene erweiterte Dienstfeld eintreten. Wenn die „Tore“ aber geschlossen bleiben, werden wir freudig tun, was wir „innerhalb“ derselben tun können.

Es gibt ein „eisernes Tor“, das zwischen allen vom Volk des Herrn und jener glorreichen Freiheit der Söhne Gottes jenseits des Vorhanges steht. Solange wir uns diesseits dieses „Tores“ befinden, sind wir alle durch das Fleisch und andere Umstände gebunden und verhindert, das zu tun, was wir möchten. Zu des Herrn festgesetzter Zeit aber wird auch dieses letzte „eiserne Tor“ sich von selbst öffnen. Dann werden wir wahrhaft frei sein und werden auch in der Gegenwart unseres Gottes sein, wo es ewige Freude gibt!