„… da ihr nun den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bilde dessen, der ihn erschaffen hat.”
Kolosser 3:10
Der in unserem Leittext verwendete Ausdruck „ausgezogen” legt den Gedanken von ‚auslöschen, betäuben, abgeben’ nahe. Zur Veranschaulichung nehmen wir das Parlament eines Staates her. Wenn die Regierungspartei durch eine Wahl die Mehrheit verliert, dann verstehen wir darunter nicht, daß sie die Volksvertretung verlassen muß, sondern daß die führende Partei durch eine andere Partei abgelöst wird. Diese Art Wechsel wird in verschiedener Hinsicht eine grundlegend neue politische Richtung bedeuten.
In ähnlicher Weise gibt es bei den Leibesgliedern Christi eine Veränderung, wenn jemand eine Schöpfung in Christo wird. Für viele Dinge findet eine grundlegende Veränderung statt. Der neue Wille bestimmt, was wir essen, was wir anziehen; er muß nun die Führung über alles übernehmen, nachdem wir Neue Schöpfungen geworden sind und vom Heiligen Geist gezeugt wurden, denn wir haben uns für ein neues Haupt entschieden. Der Wechsel der Lebensführung ist etwas, was unmittelbar eintritt. Es gab eine Zeit, da wir auf der anderen Seite des Lebens waren. Dann haben wir uns entschieden, auf die Seite des Herrn zu kommen und nahmen ihn als unser Haupt an. In dem Moment, in dem wir den Wechsel vollzogen, wurde der Wille des Fleisches ausgeschaltet, und der neue Wille in Kraft gesetzt. Da wurden wir eine Neue Schöpfung, doch wir waren in unserem Charakter unentwickelt.
Wenn nun eine neue Partei im Parlament die Macht übernimmt, kann sie nicht alle Angelegenheiten auf einmal regeln, sondern sie bewirkt die gewünschten Veränderungen nach und nach; und genauso ist es mit dem neuen Sinn. Schrittweise bewältigt er einen Wechsel nach dem andern, und so schreitet der Erneuerungsprozeß der Veränderungen voran. Die neue Einstellung gewinnt mehr Einfluß und bringt die Gedanken, Worte und Taten unter die Überwaltung und Führung durch den Herrn. So wie wir Gott besser kennenlernen, erkennen wir auch Seinen Willen besser. Immer deutlicher sehen wir die Dinge vom göttlichen Standpunkt aus und richten jedes Wort und jede Tat im Leben danach aus.
Sowohl durch Erkenntnis als auch in der Erkenntnis wird die Neue Schöpfung erneuert oder gestärkt, auferbaut, stark. Die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott. Der alte Verstand richtete sich nach der Weisheit der Welt; was die Neue Schöpfung bekommt, ist die Weisheit Gottes. Das Wachstum der verschiedenen Kräfte des neuen Verstandes ist ein nach und nach geschehendes Werk, und es hängt von der Erkenntnis ab. Mit dem neuen Willen wird die Erkenntnis die belebende und stärkende Kraft, und sie macht Gelegenheiten aus, bei denen die Neue Schöpfung ihr Lebensziel ansteuern kann. Die Erkenntnis ist etwas, das von oben kommt. Sie ist nicht nur das Wissen, wieviele Bücher die Schrift hat oder wieviele Verse sie hat, und daß man sie aufzählen kann. Durch die umfassende Fürsorge Gottes im Leben erwerben wir eine Erkenntnis Gottes, die dazu führt, daß uns Sein Wille erkennbar wird und uns zu Gehorsam anhält. Je größer unsere Erkenntnis ist, desto mehr beachten wir, was Gott geredet hat, und desto mehr richtet sich unsere Neigung auf Dinge von oben und nicht auf irdische Dinge.
Die Bedingungen, unter denen wir berufen sind
Jeder Christ solle die Bedingungen und Voraussetzungen kennen, unter denen Gott ihn berufen hat, nämlich
- im jetzigen Zeitlauf mit Christus zu leiden und
- im kommenden Zeitlauf verherrlicht zu werden und mit ihm zu herrschen, um die Welt zu segnen.
Diese Berufenen sollten beides kennen: den Grund für ihr Leiden und den Charakter, den Gott dabei ist, in ihnen zu entwickeln, ohne den sie nicht tauglich für das Königreich sind. Diese beiden Besonderheiten, dieses Anziehen des neuen Menschen, sind unabdingbar für solche, die ihre Berufung und Erwählung festmachen wollen; und um sie geht es in diesem letzten erklärenden Abschnitt.
„Die Liebe sei ungeheuchelt.” – Römer 12:9 Paulus hatte schon herausgestellt, daß Liebe unabdingbar ist, doch hier warnt er uns vor einer nur vorgetäuschten Liebe, die nur zur Schau getragen wird, die nur nach außen hin freundlich und zuvorkommend wirkt. Der echte Geist der Liebe, der Heilige Geist, wird nicht vorgeblich oder heuchlerisch sein. Diese Liebe ist echt, sie kommt von Herzen, und so äußert sie sich. Sie wird sich auf Gott hin ausrichten und auf all diejenigen, die Gottähnlichkeit abbilden oder diese anstreben. Diese Liebe wird sich auf Dinge erstrecken, die gut, aufrecht, rein, wahr sind.
„Verabscheut das Böse.” Wir sollen Böses nicht nur nicht tun oder Freude daran haben, sondern es verabscheuen. In dem Maß, in dem die Liebe zu Gott und allen Dingen gegenüber, die wahr, rein und auf Gerechtigkeit ausgerichtet sind, gepflegt werden soll, so soll auch der Abscheu vor der Sünde und vor Unreinheit in jeder Form gepflegt werden. Je stärker wir so in unserer Charakterentwicklung als Christen werden, desto stärker wird unsere Liebe für das Gute, Wahre und Reine, und desto heftiger unser Widerstand dem Unwahrhaftigen, dem Unreinen und der Sünde gegenüber. Je mehr wir die wunderbare Übereinstimmung der göttlichen Gnadengabe der Liebe erfahren, und je mehr sie zum Grundton unseres Herzens wird, desto schmerzhafter, abstoßender und verwerflicher werden für uns Sünde und Selbstsucht, „der Geist dieser Welt” sein. Dies ist vergleichbar mit Disharmonien in der Musik, die unsere Ohren beleidigen, je nach unserem Wissen und einem Sinn für Harmonien in der Musik.
So wie Heiligkeit und Sünde Gegner sind, so soll sich unsere Wahrnehmung der beiden Phänomene in Liebe oder Haß ihnen gegenüber ausdrücken. Daher wollen wir unseren Haß auf die Sünde, Selbstsucht, Unreinheit und jedes böse Handeln pflegen, so daß es uns leichter fällt, in uns die herrlichen Gnadengaben des Geistes zu entwickeln.
In unserem Sinn ist das Alte vergangen und alles ist neu geworden. Tatsächlich wird diese Umwandlung erfolgt sein, wenn wir Geistwesen werden. Wenn wir der ersten Auferstehung für würdig befunden werden sollen, wird in der Zwischenzeit von uns verlangt, daß wir herzliche Bereitschaft und ernstes Bestreben unter Beweis stellen, alles zu sein, was der Herr von uns haben möchte. Dies können wir dem Herrn auf keine andere Weise zeigen und auch nicht hilfreicher für uns selbst tun, als wenn wir unser Herz und unsere Gedanken streng überwachen.