„Glückselig, die da wohnen in deinem Hause! Stets werden sie dich loben.” Psalm 84:4
Nach der Darstellung der aufwühlenden Ereignisse, die in 1. Chronika 22:6 – 16 zu lesen sind, wurde David vom Volk gerufen, kehrte nach Jerusalem zurück und machte sich daran, nach dem allgemeinen Durcheinander, das Absalom im Volk angerichtet hatte, Ordnung zu schaffen. Zu dieser Zeit versuchte ein Thronräuber, zunächst erfolgreich, ihm den Rückweg abzuschneiden und sich selbst den Thron zu sichern; doch er wurde rasch ausgeschaltet, und David war wieder Herrscher im Reich, und mehrere Jahre Frieden und Fortschritt folgten.
Aber die Probleme des Königs hatten damit kein Ende: Wiederum kamen die Mißtöne aus seinem eigenen Haus, und die Erfahrungen mit Absalom schienen sich in gleicher Weise in der Revolte eines anderen Sohnes, Absaloms jüngerem Bruder Adonija, zu wiederholen, der sich einen Plan ausgedacht hatte und sich schlau vorbereitet hatte, den Thron an sich zu reißen und sich als Nachfolger Davids einzusetzen. – 1. Könige 1:1 – 53 Dieser Versuch der Machtübernahme und eigenmächtigen Einsetzung ins Amt führte dazu, daß Salomo sogleich gesalbt und zum Nachfolger proklamiert wurde. Gott hatte ihn nämlich als seine Wahl aus Davids Söhnen bezeichnet; er sollte auf dem Thron des Reiches sitzen. – 1. Chronika 22:9 und 10, 28:5 – 7 So wurde Salomo als König in Israel eingesetzt in der Wohnung seines Vaters David. – 1. Könige 1:34, 39 und 40 und 1. Chronika 29:22 – 25
David hatte damit fast seine ganze irdische Mission erfüllt. Er hatte ein bescheidenes Herrschaftsgebiet vorgefunden, und jetzt war es richtig ausgedehnt. Er hatte die Religion im Zustand relativer Bedeutungslosigkeit vorgefunden, und es war ihm gelungen, religiöses Leben, Hingabe und Eifer erheblich zu fördern und neu zu entfachen. Er hatte auf allen Seiten mächtige Feinde, deren Absicht es war, den Staat zu zerstören, doch er hatte alle Feinde unterworfen und seinem Volk eine Phase des Friedens beschert und es zu nie dagewesenem Wohlstand geführt. Und nicht nur das. Er hat die Grundlage gelegt für dauerhafte Einrichtungen des Gottesdienstes und die religiöse Gesundheit das Volkes, indem er für den Bau und den Dienst des Tempels Vorbereitungen traf. Diesen sollte nach Gottes Zusage sein Sohn und Nachfolger bauen. Das ganze Volk war durch sein Handeln zu Eifer und Enthusiasmus im Gottesdienst aufgewacht, so daß es wie ein Mann für den später Salomo zu leistenden Dienst im großen Werk bereitstand. Er hatte ein ereignisreiches und unruhiges Leben geführt, nicht ohne gravierende Fehler, und hatte Großes geleistet durch die Ordnung, die er nach Verworrenheit wieder hergestellt hatte, und durch Frieden und Wohlstand auf festem Fundament. Die Herrlichkeit von Salomos Regierung war das Ergebnis von Davids Mühen und Beschwernissen. Wohl durfte David den Tempel nicht selbst bauen, weil er ein Mann des Krieges war, doch dies stellte keinen Vorwurf an ihn dar wegen seiner Feldzüge, denn er hatte im Namen des Herrn und für sein Volk gehandelt und nicht aus gottlosem Ehrgeiz wie die weltlichen Kriegsherrn, die auf Beute und Ruhm aus sind.
Wenn man an den Bau des jüdischen Tempels als an einen nur technischen Vorgang denkt, wie an den Bau irgendeines anderen heidnischen oder christlichen Gotteshauses, mag es manchem erscheinen, als mache man unnötig viel Lärm darum. Wie seltsam, mag sich mancher sagen, daß es für notwendig erachtet wurde, daß der Staat befriedet war, ehe man den Bau in Angriff nehmen konnte! Warum hätte nicht ein Teil der Leute bauen und ein anderer Teil in den Schlachten kämpfen können? Und warum mußte es durchaus eine Angelegenheit des Königs sein? Gab es nicht im Israel genügend Architekten und Aufseher und Bauarbeiter, so daß man nicht den König damit belasten mußte?
Hier darf aber nicht außer Acht bleiben, daß der Bau des jüdischen Tempels nicht ein nur technischer Vorgang war, nur das Zusammensetzen von soundsoviel Steinen, Mörtel und Holz usw., sondern es ist Davids Standpunkt zu berücksichtigen, der, als er die Versammlung der Oberhäupter Israels beauftragte, beflissen mit Salomo an dem Werk zusammenzuarbeiten, sagte: „Salomo, mein Sohn, der einzige, den Gott erwählt hat, ist noch jung und zart, das Werk aber ist groß, denn nicht für einen Menschen ist dieser Palast, sondern für Jahwe Gott.” – 1. Chronika 29:1 Und dieses Heiligtum war nicht von Menschen entworfen: Die Pläne und Ausführungsdetails hatte David durch Gottes Geist erhalten: „Über dies alles, über alle Werke des Musters, sprach David, hat er mich durch Schrift unterwiesen, dadurch, daß die Hand Jahwes auf mir war.”
„Und David sprach zu seinem Sohn Salomo: Sei stark und mutig und handle; fürchte dich nicht und erschrick nicht! Denn Jahwe Gott, mein Gott, wird mit dir sein: er wird dich nicht versäumen und dich nicht verlassen, bis alles Werk zum Dienste des Hauses Jahwes vollendet ist; … und die Obersten und das ganze Volk <werden bereitwillig und geschickt> zu allen deinen Anordnungen <sein>.” – 1. Chronika 28:19 – 21
So war der Tempel ein Bauwerk, in dem sich in jeder Faser die Ehrfurcht Gott gegenüber und der Eifer des ganzen Volkes verkörperte, und das deshalb als Denkmal dieser Ergebenheit und dieses Eifers und als Zeugnis für kommende Generationen stehen sollte und diese Gesinnung dauerhaft in ihnen erwecken sollte. So betrachtet war das Werk in der Tat großartig; und da sich die ganze Bevölkerung dafür interessieren und jedermann daran mitwirken sollte, konnte es nur in einer Zeit des Friedens bewerkstelligt werden, wenn die Aufmerksamkeit der Leute nicht durch Kriege und deren Elend und Schrecken in Anspruch genommen ist. Zudem war es völlig richtig, daß der gesalbte und von Gott bestimmte König vor jedem anderen Menschen mit diesem bedeutenden Unternehmen befasst war, denn es war ein nationales Anliegen, und er stand als Haupt und Repräsentant an der Spitze des Staates.
Unter diesem Aspekt und auch im Hinblick auf die von Gott angeordnete Bedeutung des Tempels als Vorbild war es außerdem völlig angemessen, daß sich seine Schönheit, sein hoher materieller Wert und die ganzen Verzierungen, die Mühe, Sorgfalt und Opfer von Herz und Hand eines Gott ergebenen Volkes hervorbrachten, im Bauwerk widerspiegeln. Und das drückten Davids Worte aus: „ … und das Haus, das dem Jahwe zu erbauen ist, soll überaus groß werden, zum Namen und zum Ruhm in allen Ländern.” – 1. Chronika 22:5
In Davids Auftrag an seinen Sohn Salomo zum Bau des Tempels, um den es hier geht, erhaschen wir einen Schimmer von dem Mann, der nach langen Erfahrungen und durch Selbstbeherrschung zu einer reichen und abgeklärten Persönlichkeit geworden war. Jenseits von jedem Ehrgeiz steht jetzt sein Eifer für Gott im Vordergrund, und es ist ihm für Salomo ein Hauptanliegen, sein Sohn möge Gott treu sein, eifrig in seinem Dienst, und er möge so in Gottes Gunst bleiben. Dann bat er ihn, in dem großen vor ihm liegenden Werk stark und mutig zu sein, und versicherte ihm reichliches Wohlergehen und die Zuwendung Gottes, wenn er nur beständig die Gebote und Vorschriften befolgen würde, die Gott Mose für Israel aufgetragen hatte.
Jeder Christ im Dienste des Herrn wird diesen Rat für Salomo mit gleichem Recht für sich in Anpruch nehmen: „Sei stark und mutig.” Stärke und Mut sind notwendig für treuen Dienst und um mit Erfolg den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen. Beides wird erlernt durch geduldiges Ausharren und Glauben an Gott in den vielfältigen Prüfungen, denen ein Christ ausgesetzt ist. Auch der Rat von Apostel Paulus stimmt mit dem von David an Solomo überein, wenn er sagt: „Übrigens, Brüder, seid stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke.” und an anderer Stelle: „Wachet, stehet fest im Glauben; seid männlich, seid stark!” – Epheser 6:10, 1. Korinther 16:13
Das Gebet und die Danksagung Davids an Gott, die in 1. Chronika 29:10 – 19 niedergeschrieben ist, wo er für das Vorrecht gepriesen wird, daß David die Materialien für den Tempel beschaffen konnte, und wo demütig anerkannt wird, daß mit all ihren Gaben nur das an Gott zurückgegeben wird, was sein ist, wo seine Freude über die freiwilligen Schenkungen der Leute zum Ausdruck kommt, wo David betet, daß ihre Herzen ihm immer zugewandt bleiben und der Herr Salomo ein vollkommenes Herz geben möge, das ist eine sehr berührende Ansprache, voll von Ergebenheit, Sanftmut und heiligem Eifer. Möge jeder beim wiederholten Lesen jener berührenden Sätze durch sie erfrischt und belehrt werden. Die Worte haben das ganze Volk veranlaßt, mit Inbrunst den Herrn zu loben – 1. Chronika 22:20 -, und die leidenschaftliche Rede bewog den gesalbten Salomo ein zweites Mal, sich auf den Thron des Königreiches des Herrn zu setzen – 1. Chronika 22:22 und 23 -. Diese zweite Salbung war wie ein großes Amen des ganzen Volkes und eine Antwort auf die erste Salbung – 1. Könige 1:38 und 40 -, die im Vergleich dazu ohne Gepränge erfolgt war.
Psalm 84, aus dem der Leittext stammt, ist ein weiterer Ausdruck von Davids Ergebenheit und Eifer für den Dienst des Herrn. Während wir nun den vorbildlichen Tempel betrachten, der solch einen Enthusiasmus unter den Edlen des jüdischen Zeitalters entfachte, bringt uns dieser Gedanke dazu, mit großer Klarheit und Feuereifer den gegenbildlichen Tempel anzuschauen. Er ist der Tempel des lebendigen Gottes, dessen lebendige Steine in alle Ewigkeit den Lobpreis dessen verkörpern, der sie ausgehauen und poliert hat und sie zueinander passend geschliffen hat, bis daraus ein heiliger Tempel für den Herrn wurde, in dem ihm zu wohnen gefällt, und dessen Schlußstein Jesus Christus ist. – Epheser 2:19 – 22