Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

Wer sind die Neun?

Lesedauer: 11 Minuten

„Haben sich sonst keine gefunden, die zurückkehrten, um Gott Ehre zu geben, außer diesem Fremdling?” – Lukas 17:11 – 19

Die Kernaussage unserer Betrachtung ist Dankbarkeit. Sie ist ein sehr vernünftiges Charaktermerkmal und kommt sogar häufig bei der tierischen Schöpfung zum Ausdruck. Es ist unmöglich sich ein vollkommenes menschliches Wesen oder einen Engel vorzustellen, der ohne diese Qualität für Gott annehmbar wäre. Wir können fast sagen, daß das Maß unserer Annahme bei Gott an unserer Dankbarkeit gemessen wird. Ob verstanden oder nicht führt sie zum Gehorsam gegenüber den göttlichen Gesetzen und Regeln. Sie führt zu selbstopfernden Bemühungen in dem Gottesdienst und bringt gemäß göttlicher Anordnung ihren Segen.

Der Bericht, aus dem unser Leittext stammt, sagt uns, daß der Erretter sich auf dem Weg von Samaria und Galiläa Jerusalem näherte. Es wird vermutet, daß dies sein letzter Gang nach Jerusalem war, der mit seinem Tod endete. Sein Ruf hatte sich ausgebreitet; und zehn Aussätzige, die am Weg saßen, hörten, daß Jesus von Nazareth vorüberginge. Sogleich schrien sie zu ihm, so laut es ihnen ihre heiseren Stimmen ermöglichten. Ursprünglich baten sie um Geld; aber in diesem Fall war ihr Verlangen: „Meister, erbarme dich unser!” Aussätzige stellen eine sehr zu bemitleidende Klasse dar. Ihre Krankheit ist lange Zeit für unheilbar gehalten worden und stellt daher in der Bibel symbolisch die Sünde dar. Es ist eine Erkrankung, welche das ganze Blut zu verderben scheint. Die Gelenke verdrehen sich, zerfallen und fallen ab. Nach den Vorschriften, die zur Zeit unserer Lektion bestanden, war es Aussätzigen unter Androhung einer Strafe von neununddreißig Rutenschlägen verboten, Ortschaften zu betreten. Sie besaßen keine Mittel, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und waren stets auf die Mildtätigkeit ihrer Freunde und der übrigen Menschen angewiesen. Aus Furcht vor Ansteckung war es ihnen auch nicht erlaubt, sich anderen bis auf ungefähr 50 Meter zu nähern. Ihr Leben war das eines Toten.

Die in dieser Lektion erwähnten zehn Aussätzigen hatten sich aufgrund ihrer gemeinsamen Leiden über die sonst grundlegenden Hindernisse für das Zusammenkommen zwischen Juden und Samaritern hinweggesetzt. In Beantwortung ihres Hilferufes schien Jesus, obwohl er voller Mitleid war, auf ihre Bitte nur kühl zu reagieren. Er sagte nur zu ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!” Entsprechend den Anordnungen Gottes für die Juden unter ihrem Gesetzesbund sollten sie keine Krankheiten haben, außer daß diese Sünden darstellten; und die Priester sollten Fälle von Aussatz beurteilen, ob es sich bei diesen Krankheiten tatsächlich um Aussatz handelte oder nicht. Unseres Herrn Hinweis, daß sich die Aussätzigen den Priestern zeigen sollten, beinhaltet auch die Aussicht auf eine Heilung und gibt zu verstehen, daß in der Zeit, in der sie den Priester erreichen würden, sie bereit sein würden, von diesem für rein erklärt zu werden.

Die Aussätzigen müssen umfangreiche Erkenntnis der Kraft Jesu besessen haben und großen Glauben gezeigt haben; denn anstatt daß sie um spontane Heilung schrien, folgten sie seinen Anweisungen und gingen zum Priester, um von ihm überprüft zu werden. Zweifellos erhofften sie sich, daß während der Zeit, in der sie ihn erreichten, sich alles zum Guten wenden würde, und er ihnen ihre Heilung bestätigen würde. Sie gingen, aber schon nach einer kurzen Strecke fanden sie sich geheilt. Wir können uns gut vorstellen, mit welch einer freudigen Erwartung sie zu den Priestern eilten, eine Bestätigung ihrer Heilung zu bekommen und zu ihren Familien, zu ihrem Geschäft, usw. zurückzukehren. Sicherlich liefen sie fast die ganze Zeit, in der sie das Hochgefühl des gereinigten Blutes fühlten. Aber einer von ihnen verlangsamte seine Schritte; was die anderen wahrscheinlich in ihrem Hochgefühl nicht bemerkten. Er kam zurück und fiel zu den Füßen Jesu nieder und dankte ihm. Er besaß ein dankbares Herz, und zweifellos wird er schließlich einen Segen bekommen, obwohl er ihn nicht sogleich bekam, denn er war ein Samariter, ein Fremder, ein Fremdling hinsichtlich des Gemeinwesens Israels.

Eine andere Brotkrume der Gunst

In diesem Fall war die Heilung „eine Brotkrume vom Tisch der Kinder”, denn der reiche Mann war noch nicht gestorben, – Gottes Gunst war noch nicht von Israel gewichen. Jesus hatte noch nicht die schicksalhaften Worte ausgesprochen, „euer Haus wird euch öde gelassen werden”. Nein, die Gunst gegenüber Israel blieb noch dreiundeinhalb Jahre bestehen, bevor ihr Haus öde gelassen wurde – die Gunst für den Einzelnen. Es war dreiundeinhalb Jahre nach dem Tod Jesu, daß die Gunst für den einzelnen Juden in solch einem Umfang endete, daß das Evangelium zu denen aus den Nationen gehen sollte, und Kornelius sollte der erste sein, der aus den Nationen zur Nachfolge von Gott angenommen werden sollte. – Apostelgeschichte 10

Wenn der Zurückkehrende ein Jude anstatt ein Samariter gewesen wäre, wäre er ohne Zweifel von Jesus aufgefordert worden, einer seiner Jünger zu werden – „Komm, nimm dein Kreuz auf und folge mir nach”. Weil er aber ein Samariter war, sagte Jesus nur zu ihm: „Steh auf und geh hin, dein Glaube hat dich gerettet!” Wir können jedoch schwerlich daran zweifeln, daß des Herrn Vorsorge diesem dankbaren Samariter folgte, und daß, als die Zeit zur Öffnung der Tür für die aus den Nationen kam, er unter jenen war, die die Botschaft mit Freuden empfingen und sich weihten, um ein Erbe Gottes und Miterbe mit Jesus Christus, unserem Herrn, für das himmlische Erbteil zu werden.

Wir dürfen die Worte unseres Herrn nicht so verstehen, daß die Worte „dein Glaube hat dich gerettet” bedeutet, daß abgesehen von der Macht Gottes es der Glaube des Mannes gewesen war, der ihn errettete, sondern vielmehr war es so, daß der Meister die göttliche Kraft in Verbindung mit dem Glauben des Einzelnen benutzte. Sie bewirkten das gleiche bei den anderen neun Männern, die geheilt wurden. Auch sie hatten Glauben und wurden geheilt. Als Juden unter dem Gesetzesbund hatten sie einen triftigeren Grund, um Vergebung und Heillung zu bitten, als der Samariter.

Zehn wurden geheilt – wo blieben die Neun?

Jesus lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß zehn Aussätzige geheilt wurden, aber nur einer zurückgekehrt war, um Gott die Ehre zu geben. Natürlich hatte er sie nicht dazu aufgefordert zurückzukommen und die durch ihn ausgeübte göttliche Kraft dankbar zu rühmen. Wahr ist, sie führten das aus, was er ihnen zu tun gesagt hatte, sie gingen und zeigten sich dem Piester – und nicht mehr, und danach gingen sie ihrer Wege.

Warum sagte er nicht, bevor er mit ihnen überein kam und ihnen Heilung in Aussicht stellte; wenn ich euch heile, werdet ihr euch dann weihen und meine Jünger werden? Zweifellos würden sie diesem Anerbieten zugestimmt haben. Wer würde nicht irgendwelchen Bedingungen zustimmen, um von solch einer abscheulichen und unheilbaren Krankheit loszukommen? Warum wählte Jesus nicht diese Maßnahme, um die Anzahl seiner Jünger zu erweitern? Zweifellos sollte die Antwort sein, daß er dem Geist der Handlungen des Vaters folgte, was er mit den Worten ausdrückte: „Der Vater sucht solche, die ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.” Weil der Vater keine anderen sucht, so sucht auch der Sohn keine anderen.

In dieser Hinsicht steht das Predigen von Jesus und seinen Aposteln in einem krassen Gegensatz zu dem Predigen von Evangelisten, Erweckungspredigern, usw. Niemals drängten Jesus oder die Apostel weltliche Leute, Jünger Christi zu werden. Sie predigten nur oder erklärten bestimmte großartige Zusammenhänge und akzeptierten diejenigen, die von jener Art von Predigt beeinflußt mit der Darstellung dieser großen Tatsachen in die Welt hinausgingen. Sie argumentierten über Sünde, Gerechtigkeit und über eine kommende Zeit der Entscheidung oder des Gerichts und ließen die Angelegenheiten persönlichen Gewissens beiseite. Sie stellten fest, daß diejenigen, welche die Sünde verlassen und sich Gott zuwenden, durch das Verdienst des Blutes Christi Vergebung und Versöhnung erlangen könnten. Sie sprachen von einem hohen oder himmlischen Ruf, einem Ruf für alle solche Bußfertigen, die ihr Leben dem Dienst Gottes, der Wahrheit und Gerechtigkeit völlig weihen und die willens wären, wie gute Soldaten Schwierigkeiten zu ertragen.

Wir erinnern uns an eine Gelegenheit, bei der Jesus anscheinend sogar einen Geist des Enthusiasmus tadelte, der von keinem kühlen Urteil gebremst wird: „Denn wer unter euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht vorher hin und berechnet die Kosten.” – Lukas 14:28 Es hat Gott gefallen, durch das Predigen der Wahrheit die Klasse zu rufen, die nach Seinem Wunsch Miterben mit seinem Sohn werden sollen. Sie sollen nicht durch Gebete in die Familie Gottes gebracht werden oder durch Begeisterung, sondern durch die Erklärung des göttlichen Planes und der Bedingungen. Zu solchen, die die Gnade Gottes annehmen, geht die nachdrückliche Botschaft aus, daß sie dieselbe nicht umsonst empfangen; daß sie, nachdem sie ihre Hand an den Pflug gelegt haben, nicht zurückschauen; daß sie, nachdem sie als gute Soldaten des Kreuzes angeworben worden sind, in Nöten ausharren, indem sie sich des Vorrechtes des Dienens und Opferns erfreuen.

Der Punkt, den wir hier herausarbeiten wollen, ist der, daß entsprechend der Bibel von Jesus und seinen Jüngern niemals ein Versuch unternommen wurde, Rekruten für die Armee des Herrn in einem „Hipp-hipp-hura-Prozeß” zu bekommen. Wir kritisieren dabei nicht andere, sondern richten nur die Aufmerksamkeit auf die Tatsachen, die mit der Leitung des ganzen Volkes Gottes viel zu tun haben, welche den Willen Gottes zu erkennen und zu tun suchen.

Andere zehn, hundert und tausend

Wir wollen das Geschehen unseres Leittextes symbolisch betrachten. Wir wollen die Aussätzigen Sünder darstellen lassen, die sich selbst als unrein erklären und den Herrn um Reinigung bitten und so ausdrücklich seine Größe und Kraft als Sohn Gottes bestätigen, durch den nur die Vergebung von Sünde möglich ist, und die selbst ausdrücklich wünschen, seine Nachfolger zu sein, seine Jünger, überzeugt, daß Sünde schädlich ist und die danach beschlossen in des Herrn Fußstapfen zu gehen, gegen die Sünde in ihnen selbst und überall zu kämpfen. Wie viele von den Zehnen, den Hunderten, den Tausenden, deren Hingabe und Glauben der Herr angenommen hat, – wie viele, die er geheilt hat, denen er vergeben und die er empfangen hat, entsprechen ihrer Berufung zur Jüngerschaft – und sind wirklich seine treuen Nachfolger geworden?

Wie viele, die dem Herrn ihr Unglück eingestanden haben, ihren Wunsch nach Vergebung der Sünden, und die ihm lebenslange Dankbarkeit versprochen haben, um seine Gunst zu erlangen, haben ihre Vorrechte vergessen und sind, nachdem sie einen Segen erlangt haben, gegangen, der eine auf sein Feld, ein anderer zu seinem Geschäft, ein anderer zum Vergnügen und ein anderer zur Förmlichkeit. Wie wenige haben sich ihrer Gebete erinnert, in denen sie den Herrn um Barmherzigkeit baten, ihrer Vorsätze, bezüglich dessen, was sie tun würden, wenn ihre Gebete beantwortet würden.

Eine Wiederbelebung ist in Ordnung

Bei vielen christlichen Menschen wächst die Meinung, daß wir heute in einer Zeit entscheidender Trübsal leben, die diejenigen betrifft, die einen Bund mit Gott geschlossen haben. Sie glauben, daß wir uns der Zeit nähern, in der die Kirche, der Leib Christi, von dem Herrn empfangen wird, bei der Verwandlung während der Auferstehung. Wie der Apostel schrieb: „Wir werden aber alle verwandelt werden in einem Nu, in einem Augenblick”; denn „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben”. Der Ruf dieses Evangelium-Zeitalters ist ein Finden derjenigen gewesen, welche die Brautklasse ausmachen sollen, der mit Jesus Verbundenen in seinem Königreich.

Über die Juden sagte Jesus zur Zeit ihrer Prüfung am Ende ihres Zeitalters, daß „sie die Zeit ihrer Heimsuchung nicht kannten”. Nur verhältnismäßig wenige befanden sich in der Herzensstellung der Nähe zu Gott, die es ihnen ermöglichte, den Charakter der Zeit zu verstehen, in der sie lebten und die fortschreitenden Veränderungen. Der Gedanke ist, daß jetzt ähnliche Veränderungen um uns herum geschehen, die von denen erkannt werden, welche die Augen des Verständnisses geöffnet haben.

Der Samariter in unserer Betrachtung scheint eine Klasse dankbarer Nachfolger des Herrn darzustellen, die versuchen, ihn in ihren Worten, Gedanken und Taten zu verherrlichen, während die Mehrheit jener, die in ähnlicher Weise seine Gunst empfangen haben, gesinnt sind den Wünschen und Vergnügen des gegenwärtigen Lebens nachzujagen. Indem sie verneinen den Weg zu gehen, den der Meister ging, werden sie die Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit nicht erlangen, die er erlangte, und zu der er diese Klasse gerufen hat. Für sie ist eine geringere Stellung bestimmt. Entsprechend der Bibel werden nach einer kleinen Weile die Herrlichkeiten des Königreichs einer erstaunten Welt offenbart werden, aber der Zustand der Verherrlichung wird ihnen nicht zuteil.

Die wahre Weisheit, die von oben kommt, wurde durch unseren Heiland offenbart, der sein Leben nicht für sich selbst wertschätzte, der freiwillig sich selbst zu nichts machte, damit er des Vaters Willlen ausführte, und der nun zur Belohnung hoch erhoben worden ist. Paulus drückte den gleichen Gedanken aus, als er sagte, daß er alle Dinge für Nichts und für Dreck erachtete, damit er eine Stellung im Leib Christi gewinnen möge, der Kirche in Herrlichkeit hinter dem Vorhang. So großartig die Segnungen des Millennium-Königreichs gegenüber der Welt auch sein werden, werden die Segnungen, welche die Glieder der Kirche bekommen werden, unbeschreiblich großartiger sein.