Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

„Unser tägliches Brot gib uns heute”

Lesedauer: 13 Minuten

Da sagte der HERR zu Mose: Seht, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen. Das Volk braucht dann nur hinauszugehen und sich seinen Tagesbedarf einzusammeln. Ich will es auf die Probe stellen, ob es nach meinen Weisungen wandeln will oder nicht. Wenn sie nun am sechsten Tage das, was sie heimgebracht haben, zubereiten, dann wird es das Doppelte sein von dem, was sie sonst Tag für Tag sammeln.”

2. Mose 16:4 und 5

Wir wenden uns hier dem Studium des Alten Testaments zu, und zwar, nach dem Bericht über die Durchquerung des Roten Meeres, den Aufzeichnungen über Gottes Handeln mit Israel und den Belehrungen, die Er ihnen in der Wüste gab. Dies sollte offenbar dazu dienen, ein Volk zur staatlichen Eigenständigkeit hinzuführen, das fast 200 Jahre lang in Knechtschaft, ja geradezu in Sklaverei gelebt hatte. Die erste dieser Wüstenwanderungs-Lektionen kann als Lehre des Vertrauens bezeichnet werden. Während wir nun Israels Erfahrungen und die Leitung des Herrn in ihren Angelegenheiten betrachten, werden wir ohne Frage Lehrbeispiele finden, die für uns als geistige Israeliten hilfreich sind, die wir durch den gegenbildlichen Moses aus Ägypten – der Welt – herausgeführt werden, während wir eine „Wüste” aus Belehrungen, Prüfungen und Erprobungen hin zum himmlischen Kanaan erleben.

Drei Routen führten von Ägypten nach Kanaan, und der Herr wählte die weiteste von den dreien; Er hatte von Anfang an im Blick, daß sie geschult werden mußten. Die lange Knechtschaft hatte sie unterwürfig und schwach gemacht, arm an Selbstbewußtsein für den neuen Weg und voll Furcht, daß ihr Führer, dem sie erstaunlich vertrauten, sich doch letztlich als unfähig für ihre Befreiung erweisen würde. Welche Ähnlichkeit mit den geistigen Israeliten, als sie die Welt und ihre Prinzipien verließen! Wenn wir auch Christus, dem uneingeschränkt anerkannten Führer, vertrauen, so sind wir doch geneigt, selbst unter seiner Leitung ängstlich an unserer Fähigkeit zu zweifeln, daß wir die verheißene Errettung aus der Sünde und deren Sklaverei erreichen.

Die erste Enttäuschung auf der Wanderung kam, als die mitgeführten Wasservorräte zur Neige gingen und sie an die Wasserquellen von Mara (bitter) kamen, deren Wasser brackig und nicht trinkbar war; da war ihre Enttäuschung sehr groß, und sie murrten gegen Moses. Er wiederum schrie zum Herrn um Hilfe. Als Antwort wurde ihm ein Holz gezeigt, das, ins Wasser geworfen, es reinigte. – 2. Mose 15:25 und 26 Auf diese Erfahrung folgte etwas Erfreuliches: als sie nach Elim kamen, wo sie an zahlreichen Wasserquellen und in Palmenhainen rasten konnten. Genauso ergeht es dem geistigen Israeliten, für den kurze Zeit nach seinem Auszug aus „Ägypten” Erfahrungen und Erprobungen zugelassen werden. Er sucht Erfrischung und findet bittere Enttäuschungen. Der erste Impuls eines Anfängers auf diesem Weg wird wahrscheinlich so etwas wie Murren sein, das, mit oder ohne Vorsatz, eine Reflexion über die Weisheit und Leitung unseres Führers ist. Hier soll die Lehre des völligen Vertrauens angenommen werden: auf den Herrn zu schauen, um unsere bitteren Enttäuschungen in fruchtbringende Ergebnisse umzuwandeln. So wie Moses das bittere Wasser von Mara reinigte, so kann unser viel mächtigerer Führer unsere bitteren Erfahrungen süß machen, vorausgesetzt wir vertrauen ihm. Dann erleben auch wir eine Phase der Ruhe und Erquickung, eine Elim-Zeit. Der Herr läßt nicht zu, daß wir ununterbrochen Bitternis und Prüfungen haben, sonst würden wir sehr entmutigt. Er führt uns zuweilen durch ruhiges Gewässer, wo sich die Seele erholt, und wo er uns erfrischt und uns seine Gunst zuwendet. Wenn wir diese Erfahrungen recht gebrauchen, bewirken sie in uns Dankbarkeit und Wertschätzung, und sie dienen dazu, uns für den weiteren Weg zu stärken und uns Lektionen für die Wüstenschule des jetzigen Lebens mitzugeben.

Offenbar waren die Lehren in Mara und Elim nicht ausreichend für Israel; das Volk hatte noch nicht gelernt dem Herrn zu vertrauen und auch noch nicht, daß Murren der falsche Weg war. So erleben wir, daß sie dagegen aufbegehrten, daß Moses sie in die Wüste geführt hatte, weg von den Fleischtöpfen und dem Brot und den Zwiebeln in Ägypten, um in der Wüste zu verhungern. Es wäre viel besser gewesen, daß sie sich sagten: Der Herr ist durch Moses unser Führer, und wir setzen in ihn unser Vertrauen. Beten wir zum Herrn, unserem Gott, daß Er aus dem Reichtum Seiner Weisheit, Seiner Gnade und Allmacht alle unsere Bedürfnisse erfüllt. Sie waren jedoch in ihrem Lernprozeß nicht genug fortgeschritten, um diesen vernünftigen Standpunkt einzunehmen, und ihre Haltung ist als unerwachsen anzusehen; deshalb ihr Jammern aus Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Aber der Herr war gnädig und geduldig, und wenngleich Er sie tadelte und belehrte über die Ungehörigkeit ihres Verhaltens, hörte Er dennoch auf ihr Geschrei, so wie wenn sie eine angemessene Bitte um die Erfüllung ihrer Bedürfnisse vorgebracht hätten.

Wachteln und Manna

Die Israeliten mußten die Lektion der völligen Abhängigkeit vom Herrn lernen, die Lektion zu vertrauen, denn anders als im Bewußtsein ihres Mangels war das Geschenk des Mannas und der Wachteln nicht zu bekommen. Wenn sie diesen Mangel nicht verspürt hätten, dann hätten sie sicher die Gabe des Herrn nur als Teil Seiner Verantwortung für sie betrachtet; wohingegen, wenn sie ihren Mangel wahrnahmen, wären sie um so besser vorbereitet, die Fürsorge wertzuschätzen und auch deren wunderbaren Ursprung zu erkennen. So verhält es sich auch bei den geistigen Israeliten hinsichtlich ihrer geistigen Bedürfnisse, ihrer Ermutigung, Ernährung, Unterstützung: Es wird zugelassen, daß sie ihren Mangel verspüren, und daß sie darum bitten, umsonst geistige Nahrung zu bekommen.

Damit die Lektion besonders eindrücklich war, hat der Herr Sein Vorhaben zunächst Moses erklärt und gesagt, daß darin eine Lektion für das Volk enthalten war. Anschließend legten Moses und Aaron dem Volk die Zusage vor, daß der Herr ihnen noch am selben Abend Fleisch zu essen geben würde, und daß Er sie vom nächsten Tag an mit Brot vom Himmel versorgen würde. Natürlich rechneten Moses und Aaron sich nicht selbst diese Zusage als Verdienst an, im Gegenteil, sie ermahnten das Volk, daß es unrecht war, gegen sie als ihre Führer aufzubegehren, und sie machten ihnen klar, daß sich ihr Murren gegen den Herrn richtete, ihren wahren Führer. Wenn Moses und sein Helfer Aaron und nicht der Herr ihre alleinigen Führer gewesen wären, wären sie wahrlich ein großes Risiko eingegangen, wenn sie sie, wenn auch aus der Knechtschaft, in die Wüste hinausgebracht hätten, da Moses, ohne Frage in der besten Absicht, doch nicht imstande gewesen wäre, für die Bedürfnisse einer so großen Menge von Leuten zu sorgen. Offensichtlich glaubten die Leute, als sie Ägypten verließen, daß der Herr sie leitete, und daß Moses nur Sein Repräsentant war. Die Tatsache, daß sie sich jetzt gegen Moses auflehnten und nicht gegen den Herrn läßt auf einen Mangel an Glauben und einen Mangel an Vertrauen schließen und auf die unterschwellige Befürchtung, daß Moses sie auf eigene Verantwortung führte. Moses wiederum sieht keinen eigenen Beitrag zu diesem Werk und verweist auf den Herrn als den, der sie bis dahin geführt hat, der alle ihre Bedürfnisse vollkommen und umfassend befriedigt, und der alle Seine herrlichen Verheißungen für sie erfüllen wird. Das geistige Israel sollte immer beachten, nicht menschlichen Führern zu folgen; die einzige richtungsweisende Instanz, sein wahrer Führer auf dem Weg ist der Herr; Menschen sind höchstens Seine beauftragten Werkzeuge. Wenn etwa unsere Erwartungen enttäuscht werden, sollten wir daran denken, daß Gott unser wahrer Führer war und ist, und daß Zweifeln und Murren Fehler wären; wir sollen indessen die Lektion lernen zu vertrauen, uns auf Ihn zu verlassen und den Herrn um Seine Rettung anzuflehen.

Die menschliche Natur wird im Schreien der Israeliten gegen Moses sehr treffend dargestellt, als sie sich beklagten: „Wären wir doch im Lande Ägypten durch die Hand Jahwes gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung! Denn ihr habt uns in diese Wüste herausgeführt, um diese ganze Versammlung Hungers sterben zu lassen.” – 2. Mose 16:39 Sie hatten alles über die bittere Knechtschaft in Ägypten vergessen, die Herstellung von Ziegeln ohne Stroh, die Aufseher, und wie sie zum Herrn um Befreiung geschrien haben. Sie erinnerten sich nur an manche erfreuliche Dinge; und wir sollten angesichts der historisch belegten Rahmenbedingungen nicht meinen, daß sie etwa Überfluß an Lebensmitteln hatten. Genauso erkennt ein unzufriedenes Herz die Führung durch Gottes Vorsehung nicht, verliert diese aus dem Blick, vergißt die für uns bereiteten überaus großen und kostbaren Verheißungen aus der Schrift, denn im Nachhinein denken wir nur an das, was wir aufgegeben haben. Jeder ist sehr geschickt darin, sich an all die Freuden und Genüsse in der Welt der Sünde zu erinnern, und vergißt die Lasten und Kümmernisse und Enttäuschungen.

Sicher war ganz Israel, das heißt seine Verantwortlichen, die Oberhäupter aller Stämme, versammelt, und die Mitteilungen prägten sich ihnen ohne Zweifel ein durch die Offenbarung des Herrn in einer Wolke. Die Lektion Vertrauen zu üben wurde deutlich; sie mußten Gott als ihren Führer anerkennen und wissen, daß alle Vorkehrungen für ihre Bedürfnisse von Ihm kamen, auch wenn sie durch Seine Diener verkündet wurden. Auch diese Lektion gilt uns.

Nachdem sie durch diese Belehrungen vorbereitet waren, kamen die Wachteln und das Manna. Ein heftiger Wind vom Meer trieb eine riesige Anzahl Wachteln vor sich her, die, erschöpft von ihrem Flug, nicht mehr hoch fliegen konnten und so in Reichweite der Israeliten kamen; zudem fielen viele von ihnen aus purer Erschöpfung auf die Erde. Das war nicht weniger ein Wunder, auch wenn natürliche Umstände in Verbindung damit dazu beigetragen hatten. Die Lehre, zu vertrauen, die dabei erteilt wurde, war, daß Gott sich unbeschränkt natürlicher Mittel zur Ausführung Seiner Verheißungen bedienen kann. Leute, die diese Landstriche bereist haben, berichten, daß solche Vorkommnisse nicht ungewöhnlich sind. Einer sagte uns: „Ich habe selbst einmal im April in Algerien gesehen, daß bei Tagesanbruch der Boden auf einer Fläche von sehr vielen Ar mit Wachteln bedeckt war, wo am Abend zuvor keine einzige war.”

Die Versorgung mit Manna war eine andere Art von Wunder, gänzlich verschieden von Dingen, wie sie natürlich vorkommen, soweit wir dies erkennen können. Das Manna fiel früh am Morgen auf die Erde und konnte nach dem Verschwinden des Taus gesammelt werden; es war offenbar im Tau enthalten oder fiel zusammen mit ihm durch die Macht Gottes, wobei vermutlich Naturgesetze bei seiner Zusammensetzung zusammenwirkten, die man noch nicht ganz verstehen kann. Die Körner waren klein und weiß, und man mußte sie mit Sorgfalt und Mühe sammeln. Zudem konnte man sie nicht gleich genießen, sondern sie mußten als Essen erst gekocht oder gebacken werden. – Vers 23 Alles, was das Manna betraf, weist nicht nur auf ein verblüffendes Wunder hin, sondern auf eines, das sich andauernd ereignete, nämlich von dieser Zeit an 40 Jahre lang, bis Israel das Land Kanaan betrat und das traditionelle Getreide des Landes aß. Wunderbar ist auch noch, daß am sechsten Wochentag die doppelte Menge zur Verfügung stand, und am siebten Tag keines. An allen anderen Tagen verdarb ein Mannavorrat mit Ausnahme an dem Tag, der dem sechsten Tag folgte.

Diese beiden Wunder lehrten Israel die wichtige Lektion des Gottvertrauens, daß es auf Ihn, und auf Ihn allein als ihren Führer schauen soll. Genauso läßt der Herr dem geistigen Israel Seine fürsorgliche Leitung zukommen und vermittelt ihm die gleiche Lehre Ihm zu vertrauen. Dies erstreckt sich nicht nur auf die Ernährung unseres Körpers und die Erfüllung von irdischen Bedürfnissen, sondern auch auf unsere geistige Nahrung und die Versorgung mit den geistigen Dingen. In diesem Vorgehen ist die gleiche Lektion enthalten, wie in dem zentralen Gebet, das uns der Herr gegeben hat: „Unser tägliches Brot gib uns heute.” Das Volk des Herrn soll täglich Seine Fürsorge anerkennen; es wird so im Glauben wandeln, nicht im Schauen. Wir sehen nur einen Schritt weit voraus, und auch den nur unscharf im Licht des Wortes Gottes. Die klaren Aussagen der Schrift beziehen sich auf das schließliche Aufhören der Leitung durch den Herrn: Daß er uns als Sein Volk angenommen hat unter dem Mittler des Neuen Bundes, daß Er uns durch ihn in Erfahrungen dieses Lebens, in schwierigen Situationen und Prüfungen führt, damit wir ausgerüstet werden für das Erbe der Heiligen im Lichte. Und er wird uns immer führen, wenn wir ihm weiterhin nachfolgen und wird schließlich all seine Getreuen ins verheißene himmlische Kanaan bringen.

Unsere Versorgung zu den irdischen Bedürfnissen durch unseren Herrn ist vielleicht am ehesten in der Gabe der Wachteln dargestellt. Er überwaltet Vorgänge in der Natur, um uns mit Notwendigem zu versorgen, manchmal reichlich, und manchmal nicht so reichlich. So wie die Israeliten sicher Wachteln nicht nur bei deren unmittelbarem Vorkommen aßen, sondern welche davon für spätere Tage aufhoben, so sollen auch wir die Dinge in dieser Welt nicht verschwenderisch gebrauchen. Wir sollen klug damit umgehen und daran denken, daß sie, auch wenn wir sie im normalen Leben zur Verfügung gestellt bekommen, doch Vorsorge von Gott sind und wir sie sparsam und bedacht, zu Seiner Verherrlichung, gebrauchen sollen. Wenn die Dinge dieser Welt reichlich vorhanden sind, werden wir dankbar sein, und wenn wenig vorhanden ist, sollten wir Vertrauen haben. Wir müssen ohnehin die Lektion „Vertrauen” lernen; nachdem wir alles in unseren Möglichkeiten stehende getan haben, für unsere irdischen Bedürfnisse zu sorgen, können wir beruhigt alles andere dem überlassen, mit dem wir es zu tun haben: unserem Vater im Himmel.

Die Lektion des Mannas scheint im besonderen unsere geistigen Bedürfnisse zu illustrieren, die gänzlich von oben kommen. In der Schrift wird das Manna als „Himmelsgetreide”, „Brot der Starken”, „geistige Speise” – Psalm 78:24 und 25 sowie 1. Korinther 10:3 – bezeichnet. Unser Herr deutet das Manna als Symbol für sich selbst, für die Wahrheit, von dem ein Mensch ißt und niemals stirbt. Dennoch erfordert dieses Brot, wenn auch umsonst dargereicht, Anstrengung seitens der Menschen, die es sich aneignen und geistigen Beistand von ihm bekommen möchten. Es muß gesammelt und als Nahrung zubereitet werden. Wir können nicht erwarten, zu Christus zu kommen und in einem Moment und ohne eigene Anstrengung all die wunderbare Gnade, Segen und Wahrheit zu bekommen, die er zu geben hat. Die Wahrheit ist Gottes Gabe; soviel steht fest, doch sie wird so dargereicht, daß sie das Einsetzen von Energie auf unserer Seite erfordert, wodurch unser Verlangen danach, unser Hunger, unsere Wertschätzung für dieses „Brot des Lebens” gezeigt wird. Zusätzlich können wir an einem Tag oder einem Monat oder einem Jahr nicht so viel bekommen, um durchgehend versorgt zu sein, wir müssen täglich zum Herrn kommen und von Ihm aus Seinem Wort und durch Seinen Geist jene lebensspendende Kraft zu bekommen, durch die wir Tag für Tag in den Anfechtungen des Lebens gestützt werden und durch die wir stark werden in unserem Herrn und Gott und in der Macht Seiner Stärke.

Herr, gib uns immer dieses Brot, jeden Tag, bis wir ins gegenbildliche Kanaan, ins Reich der Himmel eintreten, wo diese tägliche Nahrung nicht mehr gebraucht wird, wo wir verwandelt sind in Neue Schöpfungen in Deiner ersten Auferstehung!