Josua, der neu ernannte Führer Israels, war zuvor Moses’ Berater oder Diener, nicht im Sinne eines Dienstboten, sondern in jenem höheren Sinn, in dem wir von „Dienern des Herrn”, von Staatsministern usw. sprechen. Damals war er achtzig Jahre alt; also muß er vierzig gewesen sein, als Israel aus Ägypten wegzog. Er gehörte zum Stamm Ephraim, zu einer der führenden Familien; so war sein Großvater, Elishama, ein Oberster der Streitmacht der Ephraimiter mit 400 – 500 Mann innerhalb der israelitischen Streitkräfte bald nach dem Auszug aus Ägypten. Wir begegnen Josua am Berg Sinai bei Moses als dessen ausgesuchter Begleiter, und wiederum als der Vertreter Moses’, des Oberbefehlshabers, in der ersten Schlacht Israels, nämlich gegen die Amalekiter. Auch sehen wir ihn als einen der führenden Männer aus allen Stämmen, die ausgesandt wurden, das Land der Verheißung auszukundschaften. Bei dieser Gelegenheit waren Kaleb und er die einzigen, deren Glaube an Gott sie veranlaßte, Günstiges zu berichten, als diese beiden Männer bekanntlich durch diesen Bericht ihr Leben in Gefahr sahen – so groß waren Ärger und Enttäuschung der Israeliten darüber, und so voll Verständnis und überzeugt waren sie vom Bericht der Mehrheit der Kundschafter.
Diese ganzen Begebenheiten scheinen zu beweisen, daß Josua ein Mann mit tiefem Glauben und großem Mut war; mehr noch: Wir erinnern uns, daß er, ungeachtet der hohen Stellung als Moses’ auserwählter Bevollmächtigter, offenbar nichts von jenem Ehrgeiz hatte, der zum Sturz von Korah, Dathan und Abiram und von vielen Fürsten Israels führte, und den in früherer Zeit Miriam und Aaron gezeigt hatten. Auch wenn von ihm nicht überliefert ist, daß er so demütig wie Moses war, können wir aus allen Berichten erkennen, daß derjenige, den Gott als Moses’ Nachfolger auswählte, wahrlich ein demütiger Mann war, und daß sein Mut, der sich an jedem Punkt seiner Geschichte manifestiert, nicht das Ergebnis von Selbstvertrauen war. Die Lehre, die das geistige Israel daraus ziehen kann, entnehmen wir den Worten unseres Herrn: „… jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.” – Lukas 14:11 Darin war Josua ein Vorbild unseres Herrn Jesus, der wiederum das Modell ist, dem all die nacheifern müssen, die schließlich von Gott angenommen werden können. In diesem Sinne sagt der Apostel zu allen geistigen Israeliten: „So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf daß er euch erhöhe zur rechten Zeit.” – 1. Petrus 5:6
Israel nahm widerspruchslos die Wahl Gottes für seinen Führer an. Das ganze Volk hatte offenbar durch seine Erfahrungen in der Ausbildungsstätte ‚Wüste’ gelernt. Am Anfang ihrer Wanderung war es mit Müh’ und Not bereit, selbst Moses anzuerkennen, doch jetzt waren sie immerhin so weit, daß sie verstehen konnten, daß Gott ihr eigentlicher Führer war; daß Gott, obwohl Moses gestorben war, ohne sie ins verheißene Land zu bringen, und der die Verheißung für Kanaan Abraham, Isaak, Jakob und auch ihnen gegeben hatte, ohne jeden Zweifel imstande war, diese Verheißung zu erfüllen. Daher waren sie bereit zu akzeptieren, welche Leitung auch immer Er ihnen vorgab. Geistige Israeliten müssen die gleiche Lektion lernen. Menschliche Führer sind wichtig auf ihrem Weg insofern, als sie Gottes Wahl sind, und insofern wir in ihnen die vom Herrn zugesagte Leitung Seines Volkes sehen. Wir dürfen allerdings menschliche Führer niemals für unersetzlich halten. Gott steht nicht an, ein weiteres Mal wie im Fall von Moses zu handeln, nämlich einen bewährten Führer zu entfernen und einen anderen an seiner Stelle zu berufen mit dem Ziel, daß Sein Volk lernt, daß Er der wahre Führer ist, daß sie mit Ihm als ihren Anführer ganz sicher erfolgreich sein werden, und daß ohne Ihn jede irdische Führerschaft vergeblich ist.
Bekanntlich schattete Moses das Gesetz vor, den Lehrmeister, der das Volk Gottes ins verheißene Land bringen sollte, zur verheißenen Segnung, zur Wiederherstellung usw. Wir haben gesehen, daß Israel, weil es nicht gerüstet war, hineinzugehen und das Land in Besitz zu nehmen, weil es am Anfang nicht genug Glauben hatte, und weil deshalb seine Wüstenwanderung um vierzig Jahre verlängert wurde, daß dieses Israel wiederum durch den Mangel an Glauben bei der ersten Gegenwart des Herrn davon abgehalten wurde, sich ihm im Wiederherstellungswerk anzuschließen und weiterwandern mußte, um zusätzliche Erfahrungen und Belehrungen in den zurückliegenden Jahrhunderten zu gewinnen. Und am Ende dieser Erfahrungen ist das fleischliche und auch das geistige Israel an der Grenze zum gelobten Land, dem Königreich im Millennium. Dieses Mal wird Josua das Zepter in die Hand nehmen, man wird den Jordan überschreiten, und die wunderbaren Verheißungen erfüllen sich. Inzwischen hat die Josua-Klasse, die Kirche, ihren Erfahrungsprozeß durchlaufen, und nach der großen Drangsalszeit, die bevorsteht, wird die Welt im Allgemeinen bereit sein, der Führung von Jesus zu folgen, wie geschrieben steht: „… und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns hinaufziehen zum Berge Jahwes und zum Hause Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden.” – Micha 4:2
So wie Josua Ermutigungen brauchte, genauso brauchen die Heiligen des Herrn, die Glieder des Leibes Christi, Ermutigung. Es ist nötig, daß sie auf die Zuverlässigkeit der göttlichen Verheißungen hingewiesen werden, ihre Länge, Breite. Höhe und Tiefe, gerade so wie der Herr Josua das Land der Verheißung gezeigt hat, das sich erstreckt von der Wüste bis zum Libanongebirge und nach Osten bis zum Euphrat und nach Westen bis zum Mittelmeer. Kommt der Glaube ins Wanken, und wundern wir uns etwa, wie es im neuen Zeitalter möglich sein kann, daß sich solch herrliche Dinge ereignen werden, wie sie zur Segnung und Aufrichtung der Menschheit geschehen müssen? Wenn das stimmt, dann laßt uns zurückschauen und sehen, wie die göttliche Macht in wunderbarer Weise wirksam war, nicht nur durch Moses beim Durchzug durchs Rote Meer und das Geschenk des Mannas, beim Sieg über die Amalekiter und bei dem Wasserwunder am Felsen, sondern laßt uns auch beachten, wie Gott Israel wunderbar versorgt hat, und das auf vielerlei Weise in der Zeit ihrer Gunst. Denken wir auch daran, daß sich eben diese Macht Gottes mit Moses’ Gegenbild, mit dem neuen Führer der Welt, dem großen Messias, in noch höherem Maß erweisen wird. Dieser Messias wird gebildet aus dem Haupt Christus und der Kirche, die zusammenwirken werden für die Segnung und Wiederherstellung all derjenigen, die in der Zeit der vollen Erleuchtung das Volk Gottes werden wollen. Gott war es, der mit Moses und ebenso mit Josua, die Siege usw. herbeigeführt hat, so wird auch die Macht Gottes mit der Kirche die zukünftigen Siege herbeiführen. „Der Herr zu deiner Rechten zerschmettert Könige am Tage seines Zorns.” – Pslam 110:5 „… ich will dir zum Erbteil geben die Nationen, und zum Besitztum die Enden der Erde.” – Psalm 2:8 Und auch der Apostel betont, daß der Sieg des Christus im Millennium mit und durch die Macht des Vaters erlangt wird. – 1. Korinther 15:27
Niemand konnte über Josua als dem Bevollmächtigten des Herrn stehen, und genauso wird keine Macht des Bösen und der Hindernisse, die sich jetzt auf dem Pfad der Erfüllung von Gottes Verheißungen auftun, widerstehen; alle müssen vor dem gegenbildlichen Josua fallen. „So wahr ich lebe, spricht der Herr, mir soll sich jedes Knie beugen, und jede Zunge soll Gott bekennen.” – Römer 14:11 Satan selbst wird unter diesen mächtigen Feinden sein, die überwältigt und endgültig vernichtet werden. Alle seine bösen Werke, selbst der Tod, werden schließlich vollständig weggetan, denn sie sind feindliche Elemente für die Menschen, die sich in Harmonie mit Gott befinden, und die Ihm wohlgefallen. Alle anderen und alle feindlichen Prinzipien sind da schon im Zweiten Tod ausgelöscht worden. Vernichtet wird jeder Feind Gottes und derjenigen der Menschen, die nicht mit Ihm und den Grundsätzen von Gerechtigkeit oder Wahrheit oder Güte übereinstimmen.
Das verheißene Land wird hier als das „Land der Hethiter” bezeichnet. Manche Leute neigten früher zu der Meinung, daß die Nennung der Hethiter ein ausgemachter Irrtum ist, denn man fand keinen Bericht über dieses Volk, und von ihrem Standpunkt aus war die Bibel als weniger zuverlässig anzusehen als die weltlichen Geschichtsbücher. Von dieser Meinung ist man jedoch abgekommen, denn durch Ausgrabungen in Assyrien sind alte Tafeln entdeckt worden, die Zeugnisse sind dafür, daß die Hethiter damals ein mächtiges Volk waren. Leute, die Aussagen der Schrift außer acht lassen, sehen sich im Nachteil, während wieder andere, die sie annehmen, sicher sein können, daß sie auf der richtigen Seite stehen, und daß früher oder später ihr Vertrauen und ihr Glaube durch Beweise gerechtfertigt werden.
In der den Ausführungen zugrundeliegenden Schriftstelle wird Josua dreimal vom Herrn ermutigt: „Sei stark und mutig!”, „Nur sei sehr stark und mutig”, „Sei stark und mutig”. – Verse 6, 7 und 9 Es gibt verschiedene Arten von Mut; eine ist geprägt von Egoismus und Selbstvertrauen, eine andere zeichnet sich durch Leichtsinn aus, der die Schwierigkeiten einer Situation völlig außer acht läßt. Doch der Mut, den Gott meint, und den alle geistigen Israeliten anstreben sollten, ist ein Mut, der, indem er kühl und ruhig die Hindernisse und Schwierigkeiten auf dem Weg beobachtet und bescheiden seine Unzulänglichkeit dem Problem gegenüber anerkennt, gestützt wird durch den Glauben an Gott, durch die Gewißheit über die göttlichen Verheißungen, die sie befähigt, stark im Herrn und in der Macht Seiner Stärke zu sein. Dieser Art war Josuas Mut, und so sollte auch unser Mut sein für alle Dinge im jetzigen Leben und auch für alles, was das Königreich anbelangt. Wir sollen Vertrauen in den Herrn haben, dessen Diener wir sind, und dessen Werk hinauszuführen Er uns anvertraut hat. Die Formulierung: „Weiche nicht [vom Gesetz] ab zur Rechten noch zur Linken” bedeutet, nach dem Textoriginal: Dein Maßstab soll weder mehr noch weniger als der göttliche Standard sein; trachte danach, so nah als möglich in höchste Übereinstimmung mit Gottes Wort zu kommen. Es gibt Christen, die mit einer großen Portion Selbstgefälligkeit angetreten sind, Gottes Gesetzen Dinge hinzuzufügen, und die meinen, den göttlichen Forderungen zuvorzukommen und so dem Himmlischen Vater besonderen Eifer in Gerechtigkeit zu zeigen. Einige der Pharisäer in den Tagen des Herrn waren so eingestellt, dem Wort Gottes Dinge hinzuzufügen und den Menschen schwere Lasten aufzubürden über das hinaus, was Gott von ihnen im Gesetz gefordert hatte. Die Getreuen des Herrn sollen keineswegs so handeln, noch etwas von den göttlichen Forderungen wegnehmen. Die Wahrheit ist die Wahrheit, Gottes Wort ist Gottes Wort; niemand hat uns ermächtigt, davon etwas wegzunehmen oder etwas hinzuzufügen. Viele Gläubige haben verstanden, daß in der Bibel nichts von ewiger Qual steht, doch sie haben den Eindruck, daß diese Lehre durch die in ihr enthaltene Angst manche möglicherweise dazu bringt, Glieder der Kirche zu werden oder andere von groben Sünden abzuhalten. So sind sie doch geneigt, diese Doktrin zu stützen, selbst wenn sie zugeben müssen, daß sie Gottes Charakter gegenüber Gotteslästerung bedeutet, und daß sie alle Grundsätze der Gerechtigkeit gröblich verletzt. Wer zur Josua-Klasse gehören will, muß lernen, daß er nicht das Recht oder das Privileg hat, Gesetze zu erlassen oder die bereits vorhandenen zu ignorieren, sondern soweit es in seiner Macht liegt, die in Gottes Wort niedergelegten Grundsätze der Gerechtigkeit einzuhalten, sie anderen mitzuteilen und die Wirkungen dem Herrn zu überlassen.