Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

„Glückselig die Reinen im Herzen”

Lesedauer: 11 Minuten

„Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind greulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt.” „Behüte dein Herz, mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.” – Titus 1:15; Sprüche 4:23

Die erste Schriftstelle unseres Leittextes ist eine äußerst schwere Anklage. Der Zusammenhang scheint anzudeuten, daß der Apostel einige anredete, die in einem gewissen Sinn mit der Sache des Herrn in Verbindung standen, deren Lehre und Lebensweise sich aber mit der Botschaft des Evangeliums im Widerspruch befanden. Ob er sich auf ungläubige Juden bezog, oder auf solche, die wenigstens dem Bekenntnis nach Nachfolger Christi geworden waren, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Jedenfalls bezog er sich auf solche, die Gott zu kennen vorgaben, sei es durch das Gesetz oder durch das Evangelium. Die Worte scheinen anzudeuten, daß sie auf ihre Art Ankläger waren. An allem fanden sie etwas auszusetzen – niemand konnte etwas ganz recht machen, keine Lehren waren richtig. Wir alle haben Personen mit solchem Charakter getroffen – Leute, die nirgends etwas Reines oder Gutes sehen, und die die ganze Zeit andere verurteilen.

Die Worte des Apostels sind sehr kräftig: „Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und den Ungläubigen [Untreuen] ist nichts rein.” Wir glauben nicht, daß der Apostel sagen wollte, daß die Reinen buchstäblich nichts Unreines finden könnten, noch die Unreinen nichts Reines, sondern daß dies in einem größeren Sinn zu verstehen ist. Diejenigen, die selber rein sind, können in dem göttlichen Gesetz und seinen Anordnungen Gerechtigkeit erkennen. Sie können die treuen, reinen Herzen der aufrichtigen „Kleinen” vom Volk Gottes erkennen, trotz deren Schwachheiten des gefallenen Fleisches. Die Ungläubigen oder Untreuen aber werden unrein: ihr Gewissen wird verdreht, so daß sie nicht mehr dazu imstande sind, irgend jemanden oder irgend etwas im rechten Licht zu erkennen. Sie haben bösartige Gedanken in sich Raum gegeben – Argwohn, Mutmaßungen, wie etwa, daß jeder Mensch käuflich ist, und daß niemand ehrlich sei. Sie haben andere mehr oder weniger nach sich selbst beurteilt.

Nicht nur die Gesinnung solcher Personen wird unrein, so daß sie nichts Reines, nichts Gutes, nichts Rechtes in anderen sehen, sondern ihr Gewissen wird befleckt. Anfänglich wird sie ihr eigenes Gewissen bis zu einem gewissen Grad verurteilen. Dadurch aber, daß sie diesem verkehrten Herzenszustand nachgeben, wird ihr Gewissen allmählich unrein und abgehärtet, so daß sie nicht einsehen können, daß sie nicht mehr wahrhaftig sind, falsch urteilen, nicht sehen, wie ungerecht, unrein und blind sie geworden sind. „Sie geben vor, Gott zu kennen”, sagt der Apostel – indem sie etwas über Seinen Plan und Sein Wort gelernt haben – „aber in den Werken verleugnen sie ihn”. Ihre Werke stehen im Widerspruch zum Wort Gottes, das uns unterweist, daß sich alle bemühen sollten, so viel Gutes zu tun, wie möglich, und anderen ein mildes Gericht zuteil werden zu lassen.

Beschuldiger, Ankläger der Brüder

Diese Befleckten verleugnen Gott, sie wenden sich in ihren Werken von Ihm ab – wie der Apostel sagt, sind sie Gott gegenüber „greulich und ungehorsam”, indem sie Seinen Weisungen zuwider handeln. Es ist sicherlich etwas Abscheuliches, wenn jemand den Herrn kennt, und in der entgegengesetzten Richtung wandelt und Seinen Rat verwirft. Solche sind zu „jedem guten Werk unbewährt” oder nutzlos. Sie vollbringen nichts Gutes, sondern das gerade Gegenteil; dennoch beschuldigen sie jeden anderen Menschen.

Der Apostel sagt hier nicht, daß diese Menschen dabei notwendigerweise auch unmoralisch und schlecht geworden sind und sich aller Art von Sünden und Lastern hingäben. Wir dürfen nicht etwas in seine Worte hineinlesen, was nicht darin ist. Er sagt aber deutlich, daß, was die guten Werke betrifft, sie diese verunreinigen und schädigen. Es wäre besser, sie hielten sich ganz von dem Werk des Herrn fern. Sie haben den Geist der Bitterkeit so lange in sich wirken lassen, bis alles so gefärbt aussieht wie ihre eigene Gesinnung. Sie sehen nicht ein, wie ungerecht sie in ihren Gedanken, Worten und Taten sind. Sie sind jedem guten Werk zum Schaden.

Hier haben wir Lektionen der Warnung für uns alle, damit wir nicht etwa von dem Geist des Widersachers verführt und zu Beschuldigern und Anklägern der Brüder werden und verfehlen, unsere Zeit, unsere Hände, unsere Füße und unsere Zungen dem Gutestun hinzugeben, dem Segnen und Auferbauen der Brüder, und statt dessen niederreißen. In dem Maß, in welchem jemand dies tut, ist er unbewährt, nutzlos, ja schlimmer als nutzlos für den Herrn und Seine Sache.

Es ist nötig, das Herz zu bewahren

„Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist, denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens”, ermahnt der weise Salomo. Der in diese Worte zusammengefaßte Gedanke ist sehr wichtig; es sind wahrlich Worte der Weisheit! So wie das Herz vielleicht das wichtigste Organ des menschlichen Leibes ist, so wird das Wort „Herz” hier in bildlicher Weise verwendet, um den Mittelpunkt der Gefühle des menschlichen Verstandes darzustellen. Es ist eine Tatsache, daß das Herz der Bewahrung bedarf. Es gibt viele Dinge, die ablenken, fortziehen und in die Irre führen. Nicht nur die Last des Berufs, sondern auch der Lauf der Welt im allgemeinen und unser gefallenes Fleisch sind dazu angetan, das Herz von der Gerechtigkeit, vom Dienst Gottes, von Reinheit, Liebe und Freundlichkeit gegen andere abzulenken.

Auch der große Widersacher trägt dazu bei, daß wir von Ablenkungen versucht werden. Das Herz – der Wille, das Verlangen – eines jeden menschlichen Wesens sollte Gott und der Gerechtigkeit treu sein. So war es ursprünglich erschaffen. Und so wie sich die Magnetnadel dem Pol zuwendet, so sollte sich das menschliche Herz zu Gott hinwenden. Alles andere stellt einen sündigen, verunstalteten, verdrehten Zustand dar. Es ist aber eine Tatsache, daß sich die Sünde mit der Zeit in der gefallenen menschlichen Natur fest eingewurzelt hat. Während dieser langen Jahrhunderte haben viele Menschen danach getrachtet, ihre Herzen Gott gegenüber in der rechten Stellung zu bewahren. Gleichwohl haben die meisten Menschen, nachdem sie diesen Zustand zunächst erreicht hatten, verfehlt, hierin zu bleiben und ihre Herzen in der Liebe Gottes zu erhalten, die sie davor bewahrte, auf verkehrte Bahnen und in einen unrechten Zustand zu geraten.

Wir haben oft Schwierigkeiten mit der Beherrschung unseres Leibes. Das Fleisch hat seine Wünsche oder Begierden, die beständig überwacht werden müssen. Während wir in dieser Beziehung sorgfältig wachen sollten, ist es doch am wichtigsten, daß wir das Herz bewachen, denn alle unsere bösen Neigungen haben ihre Haupttriebfeder im Herzen. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Herzen das Böse hervor. Wir sollten immer auf der Hut sein und zusehen, daß unser Herz rein und treu ist. Finden wir Unreinheiten darin, so sollten wir mit aller Macht dagegen ankämpfen und es zurechtbringen. Wir sollten unsere Gedanken völlig mit solchen Dingen ausfüllen, die rein, würdig, göttlich sind.

Als Kinder Gottes haben wir gelernt, daß der einzige Weg, auf dem wir unsere Herzen unserem Vater gegenüber in rechter Stellung bewahren können, über unseren Herrn Jesus Christus führt. Wir sind durch ihn zu Gott gekommen und so Seine Kinder geworden, und haben Seinen Heiligen Geist empfangen. Damit haben wir einen neuen Einfluß, eine neue Quelle in unser Herz bekommen, die dessen Lauf verändert und seine Ausfüsse versüßt. Hinfort lieben wir die Gerechtigkeit und hassen die Ungerechtigkeit. Wenn das zu irgendeiner Zeit nicht ganz der Fall ist, sollten wir zusehen, daß wir schnellstens wieder zu den Richtlinien des Geistes Gottes zurückkehren. Wir müssen unsere Herzen ständig untersuchen und überprüfen, damit wir in der innigen Gemeinschaft mit dem Vater und unserem Herrn Jesus verbleiben.

„Denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens”, sagt Salomo. Von diesem Organ, dem Herzen, wird das Blut zu allen Teilen des Leibes getrieben. Der Leib ist somit zur Erlangung seiner Kräfte, seiner Nahrung, seines Lebens, auf das Herz angewiesen. Der Leib würde tot sein, wenn das Herz nicht das Blut beständig durch das System treiben würde. So befinden sich die Ausgänge unseres leiblichen Lebens in dem Herzen, und täglich, ja jede Minute, sind wir darauf angewiesen. Jeden Tag geht daraus entweder viel oder wenig Leben hervor. So ist es auch mit dem Mittelpunkt oder der Zentrale unseres Wollens oder Willens. Alle, die von Tag zu Tag mit uns in Berührung kommen, werden von uns entweder zum Guten oder zum Bösen beeinflußt, je nach dem Geist, den wir offenbaren. Es ist sehr wichtig, daß unser ganzes Benehmen im Leben unter dem richtigen Einfluß eines reinen Herzens steht – daß es sorgfältig überwacht wird, so daß jeden Tag, den wir weiter pilgern, ein guter Einfluß von unseren Herzen auf andere ausströmt. So wird der Herr Wohlgefallen an uns finden und uns als „geliebte Kinder” betrachten. Und so werden unsere Sinne und Gedanken rein und unbefleckt bewahrt bleiben.

Der schließliche Ausgang – Leben oder Tod

Aber noch in einem anderen, wichtigen Sinn, gehen die Ausgänge des Lebens vom Herzen aus. Gott hat uns davon unterrichtet, daß Er uns als Geschlecht zwar zum Tod verurteilt hat, daß Er aber für alle eine mögliche Zukunft ewigen Lebens vorgesehen hat. Und die Bedingungen, unter denen irgend jemand dieses ewige Leben erlangen kann, sind in der Heiligen Schrift niedergelegt. Sie sagt uns, daß wir gewisse Dinge tun müssen. Für uns, die wir jetzt berufen und angenommen sind, ist es wichtig, daß wir alles tun, was wir können, weil von Natur aus die Sünde in unserem Fleisch wohnt. Alle vom Geschlecht Adams sind durch seinen Fall auch von Natur aus unvollkommen; Gott aber sagt uns, daß, wenn wir Seine Kinder werden, Er uns nach unseren Herzen richten wird – nach unserem Willen, unseren Absichten, unserem Wollen, unseren Anstrengungen. Wenn wir darum an den herrlichen Kampfpreis denken, sollen wir denken, daß der schließliche Ausgang dieser Sache, die letzte Entscheidung, sich ganz danach richten wird, wie wir die Bedingungen erfüllt haben. Es geht dabei wie in einem Schwurgericht zu, in welchem die Geschworenen das Urteil sprechen müssen – zugunsten der einen oder der anderen Partei. Eine Entscheidung wird in unserem Fall gefällt werden, ob so oder anders; eine Abänderung gibt es dann nicht mehr.

Die Welt wird im nächsten Zeitalter auf der Probe stehen, während die Herauswahl Christi jetzt geprüft wird – von der Zeit ihrer Zeugung aus dem Heiligen Geist an. Das neue Leben wird erprobt. Unser neues Herz steht vor dem Richterstuhl des göttlichen Gerichts. Das neue Herz bedarf mithin der sorgfältigen Bewahrung, weil damit der Ausgang zum ewigen Leben oder ewigen Tod verbunden ist. Unsere Hoffnungen sind nicht von einem vollkommenen Leib abhängig; einige mögen einen kranken Körper haben; manche mögen eine von Natur aus liebenswürdige Veranlagung haben, andere nicht. Unsere alten Leiber werden jedoch von dem Augenblick an tot gerechnet, in welchem wir Neue Schöpfungen werden, und die Neue Schöpfung ist verantwortlich für die Beherrschung des Leibes, soweit es irgend möglich ist. Diese neuen Herzen müssen Gott treu bewahrt werden, treu den Prinzipien der Gerechtigkeit, Wahrheit, Billigkeit, unserem Bund treu. Verfehlen wir, in der rechten Weise einen christlichen Charakter zu entwickeln, verfehlen wir, mit dem Herrn in Harmonie zu bleiben, dann werden wir nie als Neue Schöpfungen in Christo zur Entwicklung gelangen. Und wenn die entscheidenden Prüfungen an uns herantreten, werden wir zu leicht erfunden werden.

Der Vater hat denjenigen den Segen von Ehre, Herrlichkeit, Unsterblichkeit und Miterbschaft mit Jesu verheißen, die während des Evangelium-Zeitalters seine Charakterebenbildlichkeit erlangen. Diese Charakterebenbildlichkeit wird unsere Treue gegenüber den Prinzipien der Gerechtigkeit und gegenüber dem Willen Gottes beweisen. So war es mit unserem Herrn Jesus; er war gerne bereit, alles aufzugeben, um den Willen des Vaters zu tun. So müssen auch alle gesonnen sein, die zu Christum gezählt werden wollen. Hier liegen die Ausgänge, die Resultate, unseres Lebens. Gott spricht zu uns als zu Nachfolgern Christi, Seinen offenbaren Jüngern: „Ich habe Leben und Tod vor euch gestellt, Segen und Fluch. Wählt das Leben, damit ihr lebt.” Das Leben ist der Segen; der Tod ist der Fluch. Überall in der Bibel wird dieser Gedanke festgehalten – daß die Gabe Gottes in Seinem Segen mit ewigem Leben besteht, und daß „der Lohn der Sünde” der Fluch des Todes ist – nicht die Qual.

So ist denn der Ausgang des Lebens eines Christen in diesem Zeitenlauf das ewige Leben, wenn wir treu sind. Verfehlen wir, das ewige Leben zu erlangen, dann gehen wir in den Tod – den Zweiten Tod; denn wenn wir in diesem Evangelium-Zeitalter den Prinzipien der Gerechtigkeit und der uns gewährten Gelegenheit unserer Prüfung für das ewige Leben gegenüber untreu sind, bleibt keine weitere Gelegenheit für uns übrig. Diese Worte beziehen sich auf diejenigen, die wirklich Kinder Gottes geworden sind und die „Himmlische Gabe” geschmeckt haben. Wie wichtig ist es darum, daß wir unsere Herzen treu, ergeben und unbefleckt bewahren!

Der schließliche Ausgang zum Leben ist dem Grade nach verschieden

Unter denen, deren Prüfung den Ausgang des ewigen Lebens ergibt, wird es Unterschiede in dem Grad der zugeteilten Ehre und Segnung geben. Wie der Apostel das Bild gebraucht: „Denn es unterscheidet sich Stern von Stern an Herrlichkeit; also ist auch die Auferstehung der Toten!” – so wird es in Bezug auf diejenigen sein, die an der Ersten Auferstehung teilhaben. Einige werden in dem Königreich eine größere Klarheit der Herrlichkeit besitzen als andere. Wir können es auch so formulieren, daß es verschiedene Ausgänge gibt – zu größerer Ehre und zu geringerer Ehre: Wie anderswo in der Heiligen Schrift gezeigt wird, gibt es zwei Klassen, die das ewige Leben auf der geistigen Daseinsstufe erlangen. Viele werden zur Großen Schar gehören; manche werden zur Kleinen Herde, der Braut Christi, gehören. Manche werden die höchste Stufe, die der Unsterblichkeit, erlangen; aber eine größere Anzahl wird auf einer niedrigeren Stufe einen Grad des Lebens erlangen gleich demjenigen der Engel.

Wir sehen also die Weisheit der biblischen Ermahnung, daß das Herz der ständigen Aufmerksamkeit bedarf, weil so wichtige, einschlägige Entscheidungen oder Ausgänge davon abhängen. Und wir sehen die Weisheit in der Warnung vor der Gefahr, daß der Sinn und das Gewissen befleckt und unrein wird. Einige werden vielleicht sagen: „Ich will in Bezug auf jedes Wort, das ich rede, sehr vorsichtig sein.” Schön und gut. Aber die Zunge zu bewahren an sich reicht nicht aus, ewiges Leben zu erlangen; denn das Herz möchte in manchen Fällen so ganz anders sein als die Zunge. Es mag durchaus jemand dazu imstande sein, sehr glatt und rein zu reden, und doch ein betrügerisches, unreines Herz besitzen. Ein anderer wiederum mag sagen: „Ich will auf meinen Leib aufpassen, und nicht damit sündigen.” Aber auch das allein ist ungenügend. Wir müssen an die Quelle gehen. Der Herr sieht in Seinem Volk auf die Bestrebungen und Absichten des Herzens. Das Herz bedarf der besonderen Bewachung, weil in ihm der Kampf ausgefochten wird und die Ausgänge von dort von so gewaltiger Bedeutung sind – Leben oder Tod. Wenn das Leben unser Teil ist, dann wünschen wir, daß es die höchste Stufe sein möchte, die Gott bereit ist, uns zu geben. Und sie wird unser Teil sein, wenn wir den Bedingungen entsprechen.