Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

Die Vision der Wahrheit wird nicht ausbleiben

Lesedauer: 11 Minuten

Denn die Vision gilt erst für die festgesetzte Zeit, und sie strebt auf das Ende hin und lügt nicht. Wenn sie sich verzögert, warte darauf; denn kommen wird sie, sie wird nicht ausbleiben.”

Habakuk 2:3

Habakuk diente dem aus zwei Stämmen bestehenden Reich von Juda als ein Prophet, kurz bevor es in die babylonische Gefangenschaft ging. Die Nation befand sich zu dieser Zeit in einem chaotischen Zustand. Das Buch, das den Namen von Habakuk trägt, stellt seine Botschaft in einem beträchtlichen Umfang in Form eines Dialogs dar, in welchem der Prophet Fragen stellt und die Antworten vom Herrn bekommt.

Habakuks erste Anfrage an den Herrn betrifft die Situation in Juda, von der er umgeben war. Wir zitieren von der Schrift: „Wie lange, Herr, rufe ich schon um Hilfe, und du hörst nicht! [Wie lange] schreie ich zu dir: Gewalttat! – doch du rettest nicht? Warum läßt du mich Unrecht sehen und schaust dem Verderben zu, so daß Verwüstung und Gewalttat vor mir sind, Streit entsteht und Zank sich erhebt? Darum erstirbt die Weisung, und [der gerechte] Rechtsspruch kommt nie mehr heraus. Denn der Gottlose kreist den Gerechten ein; darum kommt ein verderbter Rechtsspruch heraus.” – Habakuk 1:2 – 4

Wir können hier den bitteren Schmerz von Habakuk über das große Ausmaß des Bösen mitempfinden und über die Tatsache, daß der Herr anscheinend nicht gegen das Böse einschritt, das in der Nation überhand nahm. Und wenn wir weiter darüber nachdenken, so können wir darin die Gefühle des gerechten Volkes Gottes während aller Zeitalter wiedererkennen, sogar bis zum gegenwärtigen Augenblick, wie es in ähnlicher Weise darum bemüht war, zu verstehen, warum Gott so viel Böses und Ungerechtigkeit auf der Erde hat fortzubestehen lassen. Das Thema, warum Gott das Böse zuläßt, hatte einen hervorragenden Platz in den Gedanken und Herzen all derer gehabt, die wünschten, bessere Zustände auf der Erde vorzufinden, als sie vorhanden gewesen waren.

Gott erwiderte Habakuk an dieser Stelle: „Seht [euch um] unter den Nationen und schaut zu und stutzt, [ja] staunt! Denn ich wirke ein Werk in euren Tagen – ihr glaubtet es nicht, wenn es erzählt würde. Denn siehe, ich lasse die Chaldäer erstehen, die grimmige und ungestüme Nation, die die Weiten der Erde durchzieht, um Wohnplätze in Besitz zu nehmen, die ihr nicht gehören. Schrecklich und furchtbar ist sie. Von ihr selbst gehen ihr Recht und ihre Hoheit aus. Und schneller als Leoparden sind ihre Pferde und angriffslustiger als Wölfe am Abend. Es stampfen ihre Pferde, ihre Pferde kommen von fern her, fliegen herbei wie ein Adler, der sich auf den Fraß stürzt. Jeder kommt zur Gewalttat. Ihre Front strebt [unaufhaltsam] vorwärts, und Gefangene rafft sie zusammen wie Sand. Mit den Königen treibt sie ihren Spott, und Fürsten sind ihr ein Gelächter. Über jede Festung lacht sie, schüttet einen Erdwall auf und nimmt sie ein.” – Habakuk 1:5 – 10, Jesaja 13:19 und 47:1

Hier erklärt Gott dem Habakuk, daß Er die nicht hinnehmbare böse Situation in Juda nicht übersieht, und daß Er beabsichtigt, etwas dagegen zu tun. Er erklärt, daß Er gegen dieses Unrecht zu Habakuks eigener Lebenszeit einschreiten wird. An sich konnte dies ein bestimmtes Maß an Trost für den Propheten vorsehen, denn er hatte den Herrn gefragt: „Wie lange, Herr, rufe ich schon um Hilfe und du hörst nicht!” Und obgleich Habakuk die Versicherung erhielt, daß gegen die Bosheit in Juda eingeschritten werden würde, verstand er noch nicht, was der Herr im Einzelnen tun würde.

Habakuks Frage

Er erfaßte nicht die volle Bedeutung von dem, was der Herr über die Chaldäer gesagt hatte, eine „grimmige und ungestüme Nation”, die Trübsal für Juda voraussehen ließ, und so stellte Habakuk die Frage: „Bist du nicht von alters her, HERR, mein Gott, mein Heiliger? Wir werden nicht sterben? HERR, du hast sie zum Gericht eingesetzt, und, Fels, zum Züchtigen sie bestimmt. Du hast zu reine Augen, um Böses mitansehen zu können, und Verderben magst du nicht anzuschauen. Warum schaust du [dann] den Räubern zu, schweigst, wenn der Gottlose den verschlingt, der gerechter ist als er: Machst du doch die Menschen wie die Fische des Meeres, wie die Kriechtiere, die keinen Herrscher haben.” – Habakuk 1:12 – 14

Habakuks Problem war jetzt zu verstehen, warum Gott ein Volk benutzen würde, das sogar noch bösartiger war als das Volk von Juda, um sie zu bestrafen. In seiner diesbezüglichen Anfrage betont er die Heiligkeit des Herrn. Er sagte, daß Gott sein „Heiliger” ist. Der Prophet wunderte sich jedoch über die Methode, die der Herr benutzen würde, um die schlimme Situation, die in Juda vorhanden war, zu beseitigen. Die Einzelheiten seiner Frage auf den Rest des Kapitels ausdehnend, fährt Habakuk mit der Feststellung fort: „Auf meinen Posten will ich treten und auf den Wall mich stellen und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird und was für eine Antwort ich auf meine Frage erhalte.” – Habakuk 2:1

Als Habakuk richtig gefolgert hatte, daß er in dieser Sache lieber auf Gottes Anweisung Obacht geben sollte, als Fragen zu stellen und zu jammern, wurde dem Propheten sogleich die Antwort gegeben. Habakuk sagte: „Und der HERR erwiderte mir und sprach: Schreib die Vision auf, und zwar deutlich auf die Tafeln, damit man es geläufig lesen kann. Denn die Vision gilt erst für die festgesetzte Zeit, und sie strebt auf das Ende hin und lügt nicht. Wenn sie sich verzögert, warte darauf; denn kommen wird sie, sie wird nicht ausbleiben. Siehe, die [verdiente] Strafe für den, der nicht aufrichtig ist! Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.” – Habakuk 2:2 – 4

Dies war Gottes Antwort für Habakuk, warum Er die bösartigen Babylonier zur Bestrafung Israels benutzen würde. Diese Antwort sagte überhaupt nichts über die unmittelbare Zukunft aus. Der Herr beabsichtigte mit Seiner Erwiderung jedoch in Wirklichkeit, dem Streit seine örtlich begrenzte Anwendung zu nehmen und ihm eine weltweite Auslegung zu geben. In der Antwort wird auch gezeigt, daß nur der Gerechte auf der Grundlage des Glaubens imstande sein wird, zu verstehen, wertzuschätzen und entsprechend dieser Antwort zu leben.

Die „Vision”, auf die in der Antwort hingewiesen wird, ist jene großartige Vision der Wahrheit, die sich zu entfalten begann, als Gott sagte, daß der Same des Weibes den Kopf der Schlange zermalmen würde, und diese wurde durch Seine Verheißung an Abraham verstärkt: „In dir und deinem Samen werden gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.” – 1. Mose 3:15 und 22:18 Dies war die große Vision der Wahrheit, welche die Prophezeiungen des Alten Testaments durchdringt. In diesem großen Plan der Zeitalter alles Böse zu vernichten werden alle individuellen und kollektiven Institutionen gezeigt – einschließlich Satan selbst, durch welchen die Menschheit aufgrund der Sünde gelitten hat. Nur wenn diese Sünde verstanden wird, wird die Antwort klar erkannt werden, warum Gott das Böse zuließ.

Der Herr erklärte Habakuk, daß diese Vision für eine festgelegte Zeit bestimmt war. Der Prophet konnte nicht erwarten, sie zu seiner Zeit zu verstehen, was es bedeutete, „sie strebt auf das Ende zu und wird nicht lügen”. Auch wenn es den Anschein hätte, als ob sie sich verzögern würde, erklärt Gott, „warte auf sie”, – die Vision wird sicherlich zur rechten Zeit kommen, sie wird nicht ausbleiben. Wenn Habakuks Glaube fähig war, diese Zusicherung zu begreifen, was zweifellos zutraf, konnte er daraus einen großen Trost erlangen, weil es ihm, während er zu dieser Zeit all das, was Gott zu tun beabsichtigte, nicht verstehen konnte, eine Erklärung geben würde, die bevorstehe, wenn „am Ende” die Vision sprechen würde.

Die Schlachter-Übersetzung sagt von der Vision, „wenn es verzieht, so harre seiner, denn es wird gewiß kommen und sich nicht verspäten”. Die griechische Septuaginta übersetzt: „Wenn er sich verzögert, warte auf ihn, weil er gewiß kommen wird und [bestimmt] nicht ausbleibt.” Die Benutzung des Pronomens (Fürwortes) „er” in der griechischen Septuaginta betont, daß für diese große Vision der Wahrheit die Tatsache grundlegend ist, daß es eine mit ihr verbundene Persönlichkeit gibt, – der große Christus, der Messias der Verheißung.

Die Neutestamentliche Bestätigung

Apostel Paulus, der das Evangelium des Christus getreu predigte, verstand die Bedeutung der Vision, welche dem Habakuk verheißen wurde, von diesem Standpunkt. Er schrieb an die hebräischen Christen: „Denn Ausharren habt ihr nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt. Denn noch eine ganz kleine Weile, [und] der Kommende wird kommen und nicht säumen. ‚Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben‘.” – Hebräer 10:36 – 38 Diese Vision der Wahrheit war der alleinige Brennpunkt der Botschaft des Paulus als ein Diener des Christus.

Wie tröstlich ist es für uns heute, durch die Erfüllung vieler Prophezeiungen der Bibel zu erkennen, daß wir zu der Zeit leben, in der Gottes große Vision der Wahrheit zu uns spricht, sogar noch deutlicher als in den Tagen des Paulus. Auf Grund dieser Tatsache können all diejenigen, die glaubensvoll wachsam sind, jetzt verstehen, warum Gott das Böse zuläßt. Sie erkennen auch, daß das Ende der Herrschaft der Sünde und des Todes sehr nahe gekommen ist, und sie freuen sich darüber. Mit dem Ende der Herrschaft von Sünde und Tod wird eine Zeit der Freude und Glückseligkeit kommen, wenn weder der Tod noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein werden. – Offenbarung 21:1 – 4 Wie herrlich in einer Zeit zu leben, von der die Vision spricht. Während die Zeit noch nicht herbei gekommen ist, wissen wir doch, daß sie näher rückt, in der, wie der Prophet Habakuk später berichtet, „die Erde davon erfüllt sein wird, die Herrlichkeit des HERRN zu erkennen, wie das Wasser den Meeresgrund bedeckt.” – Habakuk 2:14

Habakuks Gebet

Das zweite und dritte Kapitel des Buches Habakuk berichtet umfangreich über Bestrafung der Bosheit und des bösen Volkes. In Vers 20 des zweiten Kapitels versichert Gott, daß Er die Kontrolle über die Zulassung des Bösen nicht verloren hat. Wir lesen: „Der HERR aber ist in seinem heiligen Palast. Schweige vor ihm ganze Erde!” Wie beruhigend es doch ist, zu wissen, daß, egal wie viel Böses auf der Erde geschieht, Gott die Kontrolle über die Situation behält!

Auch wenn der Herr gedroht und Kritik an der Bosheit geübt hatte, erkannte Habakuk doch, daß Gottes Vision zur bestimmten Zeit sprechen würde. Dann würde der große Messias der Verheißung zusammen mit seinen Teilhabern Frieden und Gerechtigkeit auf der ganzen Erde aufrichten, die dann mit einer genauen Erkenntnis und einem Verständnis des Herrn und Seines Planes erfüllt sein würde.

Habakuk war jedoch ungeduldig, wie in den Zeitaltern viele von Gottes gerechtem Volk es gewesen sind. Er anerkannte, daß der Herr zu jeder Zeit fähig war, die völlige Kontrolle über die Situation auszuüben, wenn Er dies wünschte, aber er konnte nicht die Notwendigkeit einsehen, auf einen zukünftigen Tag zu warten, an dem dies geschehen sollte. So hören wir sein Gebet: „HERR, ich habe deine Botschaft vernommen. Ich habe, HERR, dein Werk gesehen. Inmitten der Jahre verwirkliche es, inmitten der Jahre mache es offenbar, im Zorn gedenke des Erbarmens!” – Habakuk 3:2

Als erstes nehmen wir in Habakuks Gebet das Eingeständnis der Furcht wahr, als Gott ihm das Unglück offenbarte, das schon bald über die Nation kommen sollte. Vielleicht fühlte er, daß er sogar den Gedanken daran, was dies beinhalten könnte, nicht ertragen konnte, und so betete er zum Herrn: „Inmitten der Jahre verwirkliche es, inmitten der Jahre mache es offenbar! Im Zorn gedenke des Erbarmens!” Mit anderen Worten scheint er Gott darum zu bitten, nicht damit bis in eine entfernte Zukunft zu warten, sich ihm zu offenbaren durch die Vision, die dann sprechen würde. Die Aussage des Propheten könnte eine an den Herrn gerichtete Bitte gewesen sein, die üble Situation in der Welt dann zu Ende zu bringen, und Gerechtigkeit aufzurichten. Warum einen so herrlicher Ausgang verzögern, könnte Habakuk gedacht haben?

Dies war jedoch nicht des Herrn Wille. Er wußte, daß noch Millionen von Menschen zur Welt kommen würden, die von der Erfahrung des Bösen profitieren sollten. Habakuk wußte, daß Gott die Macht besaß, wenn die Zeit gekommen wäre, mit dem Königreich des Messias, jene wiederherzustellen, die in der Zwischenzeit gelitten hatten und gestorben waren, und daß dann alle zusammen an Seinen Segnungen teilhaben würden, wenn Seine Herrlichkeit die Erde erfüllen würde.

Habakuk spricht weiter

Nachdem er von all dem Unglück erfahren hatte, daß der Herr über die Bösen bringen würde, sagte Habakuk: „Ich vernahm es, da erbebte mein Leib, bei dem Schall erzitterten meine Lippen, Fäulnis drang in meine Knochen, und unter mir bebte mein Schritt [jetzt] will ich auf den Tag der Bedrängnis warten, daß er heraufkommt gegen das Volk, das uns angreift.” – Habakuk 3:16

Trotz Habakuks Not und Vorahnung hielt er sein Vertrauen in Gott aufrecht, und er drückte seine Überzeugung aus, daß egal was passiert, er in dem Herrn jubeln wird. „Denn der Feigenbaum blüht nicht, und an den Reben ist kein Ertrag. Der Ölbaum versagt [seine] Leistung, und die Terrassen(gärten) bringen keine Nahrung hervor. Die Schafe sind aus der Hürde verschwunden, und kein Rind ist in den Ställen. – Ich aber, ich will in dem HERRN jubeln, will jauchzen über den Gott meines Heils.” – Habakuk 3:17 und 18

Wie überwältigend ist dieser Ausdruck des Vertrauens in den Herrn! Es ist noch wunderbarer, wenn wir bemerken, daß Habakuk zuvor von sich selbst gesagt hatte, daß er sich darüber fürchtete, was er Gott hatte sagen hören. „Sein Leib erbebte”, „seine Lippen erzitterten” beim Hören der Stimme des Herrn. „Fäulnis drang in seine Knochen” und er zitterte. Er hatte den Wunsch geäußert „auf den Tag der Bedrängnis zu warten”, was nachweislich auf die Ruhe im Todesschlaf hinweist.

Während nicht viel über Habakuks persönliches Leben bekannt ist, vermutet man, daß er ein Ackerbauer gewesen ist. In seinem Ausdruck des Vertrauens in den Herrn weist er im Wesentlichen auf alle die Dinge hin, mit denen ein Ackerbauer zu tun hat. Sein Feigenbaum blühte nicht; es war keine Frucht am Weinstock; der Ölbaum hatte nicht getragen; die Gärten brachten keine Nahrung hervor; die Schafe waren aus der Hürde verschwunden, und es war kein Rind in den Ställen. Mit der Erwähnung all dieser Dinge, die im Leben eines Ackerbauern von großer Bedeutung sind, scheint nicht viel übrig geblieben zu sein, für das es sich zu leben lohnte; aber trotzdem sagte dieser Habakuk: „Ich aber, ich will in dem HERRN jubeln, will jauchzen über den Gott meines Heils.”

Es ist eine Freude unter günstigen Bedingungen Gott anzubeten und Ihm zu dienen, aber die wirkliche Prüfung unseres Glaubens und unserer Hingabe zeigt sich in Zeiten der Not. In Habakuk haben wir ein wundervolles Beispiel, wie unsere Einstellung sein sollte, wenn der Herr erlaubt, daß Trübsale und Prüfungen über uns kommen. Wenn wir uns am Überfluß guter Dingen erfreuen, die Er uns heute zukommen läßt, werden wir uns auch morgen in Gott unserer Errettung erfreuen, wenn vielleicht einige dieser guten Dinge nicht vorhanden sein werden? Wir sollten auch dann dazu imstande sein, besonders, da wir zu der Zeit leben, in der die Vision der Wahrheit spricht, und die Gegenwart des Sohnes des Menschen uns dazu befähigt, die Herrlichkeit des großartigen Planes Gottes zu erkennen – „nach dem ewigen Vorsatz, den er verwirklicht hat in Christus Jesus, unseren Herrn.” – Epheser 3:11