Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

Die Prinzipien der Liebe und der Gerechtigkeit gegenübergestellt

Lesedauer: 13 Minuten

Nichts ist für den Frieden und das Gedeihen der Kirche Gottes mehr von Nöten, als daß ihre Glieder ein klares Verständnis und eine Wertschätzung moralischer Prinzipien besitzen und von diesen kontrolliert werden. Sogar unter Christen gibt es oft unterschiedliche Meinungen in Bezug auf Prinzipien des Handelns, die das geistige Wachstum und Wohlergehen sehr beeinträchtigen.

Solche Schwierigkeiten erscheinen des öfteren durch Unvermögen zwischen den jeweiligen Forderungen der Liebe und der Gerechtigkeit zu unterscheiden. Daher betrachten wir es als nutzbringend, diese Prinzipien und ihr Wirken unter den Kindern Gottes zu untersuchen.

Die Gerechtigkeit wird manchmal durch eine Waage dargestellt, deren Waagschalen sich im Gleichgewicht befinden, und manchmal mit einem ausgeglichenen Konto und mit einem Kompaß verglichen. Dies sind passende Sinnbilder des Charakters der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit kennt keine Kompromisse und keine Abweichung von der festgelegten Regel des Handelns. Sie ist mathematisch genau. Sie überhäuft nichts für ein „gutes Gewicht” oder ein „gutes Maß”. Es gibt bei ihr keine Gnade, kein Herz, kein Mitleid, keine Begüstigung irgendwelcher Art. Sie ist eine Berechnung, ein genaues Maß der Wahrheit und Gerechtigkeit. Wenn Gerechtigkeit geschieht, dann gibt es keinen Grund für einen Dank gegenüber demjenigen, der sie ausübt. Ein solcher hat nur eine Pflicht getan, indem er das unterlassen hat, was strafbar gewesen wäre, und das getan hat, was ihm keine Gunst oder Lob eingebracht hat. Und trotzdem, so fest und unnachgiebig dieses Prinzip ist, wird von ihm gesagt, daß es die Grundlage des göttlichen Thrones ist. Es ist das Prinzip, welches all Seine Handlungen mit Seinen Schöpfungen unterstreicht. Es ist Sein unveränderliches Geschäftsprinzip; und wie nachdrücklich Er daran festhält, wird einem jeden gezeigt, der den Plan der Errettung versteht, dessen Grundlage die Befriedigung der Gerechtigkeit gegenüber unserem Geschlecht ist.

Obgleich die Anordnung zur Befriedigung der Gerechtigkeit das Leben Seines einziggezeugten und geliebten Sohnes kostete, war dieses Prinzip göttlicher Gerechtigkeit so wichtig, daß Gott ihn freiwillig für uns alle dahin gab.

Gerechtigkeit vor Großzügigkeit

Das Prinzip der Liebe, das dem Prinzip der Gerechtigkeit ungleich ist, überfließt von Zartheit und sehnt sich zu segnen. Es ist voller Gnade und erfreut sich an dem Geschenk der Gunst. Es ist jedoch offenbar, daß keine Handlung als eine Gunst oder eine Kundgebung der Liebe belohnt werden kann, die nicht auf der dauerhaften Grundlage der Gerechtigkeit aufgebaut ist. Wenn zum Beispiel jemand mit einem Geschenk zu dir kommt und zur gleichen Zeit eine gerechte Schuld mißachtet, die er dir gegenüber hat, so wird die Wertschätzung dafür als ein Ausdruck der Liebe zu kurz kommen; und du wirst sagen: „Wir sollten zunächst gerecht sein, bevor wir uns bemühen großzügig zu sein.”

Und dies ist richtig; wenn Gerechtigkeit das grundlegende Prinzip bei allen Handlungen Gottes ist, dann sollte es das gleiche bei all unseren Handlungen sein; nichtsdestoweniger unter den Geschwistern in Christo als unter jenen in der Welt. Als Geschwister in Christo haben wir kein Recht über die Gunst eines anderen mutzumaßen. Alles wozu wir berechtigt sind ist einfach Gerechtigkeit, aber wir mögen auf jene Dinge verzichten, die wirklich unsere Rechte sind. Aber bei unseren eigenen Handlungen sollten wir immer danach trachten Gerechtigkeit zu erweisen – Gerechtigkeit in der Bezahlung unserer offenen Schuld einem jeden gegenüber, Gerechtigkeit in unserem Urteil gegenüber einem jeden (indem wir eine bestimmte Nachsicht wegen der Schwächen einräumen sollten, weil wir bei uns selbst ein Maß bestimmter Unvollkommenheit entdecken); und Gerechtigkeit in einer fairen und freundlichen Behandlung einer gegenüber dem anderen.

Wie wir gerade gesagt haben, gibt es keine Schuldigkeit Gerechtigkeit für uns selbst zu fordern; und wir können, wenn wir uns dazu entschieden haben, selbst Ungerechtigkeit klaglos erleiden. Wir müssen jedoch, wenn wir des Christus sind, Gerechtigkeit erweisen, soweit wir diese zu erkennen imstande sind. Mit anderen Worten sind wir in dieser Hinsicht nicht verantwortlich für das Handeln anderer, sondern für unser eigenes Handeln. Daher sollen wir ernstlich danach trachten, daß all unsere Handlungen, Worte und Gedanken mit der genauen Regel der Gerechtigkeit übereinstimmen können, bevor wir auch nur die geringste Handlungsweise als einen Ausdruck der Liebe zeigen.

Gerechtigkeit, Gleichheit, eine christliche Qualität

Es scheint, daß viele christliche Menschen Jahre mit Erfahrungen verbringen, ohne daß sie irgendeinen größeren Fortschritt machen. Eine Schwierigkeit, die zu dieser Stellung führt, liegt in einem Fehlverhalten, dieses grundlegende Prinzip zu erkennen, das die göttlichen Gesetze unterstreicht, das von dem Moment an gilt, als wir in die Familie Gottes angenommen wurden. Das erste dieser Grundprinzipien ist Gerechtigkeit. Wir müssen zunehmend deutlich lernen, was unsere eigenen Rechte und was die Rechte unserer Mitmenschen sind, in der Kirche und außerhalb der Kirche. Wir müssen lernen, wie wir unsere eigenen Angelegenheiten und die von anderen mit dem Senkblei der Gerechtigkeit messen und anerkennen, daß wir nicht unter allen Umständen oder Bedingungen die Rechte, Interessen oder Freiheiten von anderen brechen – was zu tun falsch, sündig und entgegen dem göttlichen Willen ist und ein ernstes Hindernis zu unserem eigenen Wachstum in Gnade. Zweitens müssen wir als nächstes die Liebe zu würdigen lernen, die in dem göttlichen Verzeichnis der Gerechtigkeit am nächsten steht. Wenn wir über Liebe reden, so meinen wir nicht Sinnlichkeit, noch sanfte Sentimentalität, sondern das Prinzip der Freundlichkeit, des Mitgefühls, der Rücksichtnahme und des Wohlwollens, welches wir in unserem Himmlischen Vater und in unserem Herrn Jesus bestätigt finden.

In dem Maß, in welchem wir in dem Herrn wachsen, um stark in Ihm zu sein, muß dies entlang der Richtlinie dieser Elemente Seines Charakters geschehen. Wir müssen zunehmend mehr wertschätzen mit anderen in ihren Trübsalen, Schwierigkeiten und Anfechtungen mitzufühlen. Wir müssen mehr und mehr sanftmütig, geduldig, freundlich gegenüber allen werden, aber besonders gegenüber dem Haushalt des Glaubens. All die Gnaden des Geistes sind Elemente der Liebe. Gott ist Liebe – und wer auch immer von Seinem Geist bekommt, bekommt den Geist der Liebe.

Diese zwei Grundprinzipien müssen all unserem Handeln im Leben zugrunde liegen. Die Gerechtigkeit sagt uns, daß wir aufhören müssen Böses zu tun – daß wir nicht ein Wort sprechen noch eine Handlung untereinander ausführen sollen, die Unrecht oder den Eindruck eines solchen Unrechts hinterlassen würde; daß wir so sorgfältig gegenüber seiner oder ihrer Interessen und Wohlfahrt sein müssen wie gegenüber unserer eigenen. Gerechtigkeit kann uns erlauben ihnen mehr Gerechtigkeit zu erweisen, als dies die Gerechtigkeit fordern könnte, aber Gerechtigkeit verlangt, daß wir ihnen niemals weniger geben dürfen, als ihnen gebührt. Ganz gleich, ob sie Gerechtigkeit von uns fordern, ganz gleich, ob sie willens sind, weniger als Gerechtigkeit zu nehmen, ganz gleich, ob sie nichts sagen würden, wenn wir sie übervorteilen sollten, ganz gleich, ob sie unseren Grad der Gerechtigkeit nicht wertschätzen, ist unsere Richtlinie noch die gleiche. Wir haben den Geist des Herrn bekommen und müssen von diesem Standpunkt handeln und nicht von dem Standpunkt anderer, die nicht diesen Geist besitzen, oder mehr oder weniger blind und nicht imstande sind gerecht zu handeln.

Liebe und Gerechtigkeit kontrollieren

Wenn Gerechtigkeit unser Verhalten gegenüber anderen kontrollieren muß, so muß die Liebe von uns beim Messen des Verhaltens von anderen gegenüber uns benutzt werden. Wir können gegenüber anderen nicht die strengen Regeln der Gerechtigkeit anwenden, welche wir als unsere Verantwortung gegenüber ihnen eingestehen. Liebe und Großzügigkeit fordert, daß wir von anderen auch weniger als Gerechtigkeit annehmen, weil wir erkennen, daß sie nicht nur gefallen und unvollkommen in ihrem Fleisch sind, sondern auch in ihren Beurteilungen. Weiterhin erkennen wir, daß die große Masse der Welt den Geist des Herrn überhaupt nicht bekommen hat und daher diese Grundprinzipien der Gerechtigkeit und Liebe nicht wertschätzen kann, wie wir dies tun. Wir müssen mit mitfühlender Liebe auf ihren Zustand schauen, wie wir auf den eines kranken Nachbarn, Freundes, der Eltern oder eines Kindes schauen würden. Wir müssen ihren ungeordneten Zustand berücksichtigen und über ihre Worte, ihr Verhalten, usw. so nachsichtig wie nur möglich denken.

Dies bedeutet nicht, daß wir blind sein oder uns des wahren Zustandes nicht bewußt sein sollten. Es bedeutet nicht, uns selbst zu gestatten dessen, was wir besitzen oder erwerben, beraubt zu werden. Aber es bedeutet, daß wir einen freundlichen mitfühlenden Standpunkt hinsichtlich der Ungerechtigkeit und nicht vorhandenen Rechtschaffenheit jener einnehmen sollten, mit denen wir es zu tun haben. Wir sollten uns daran erinnern, daß sie gefallen sind, und daß sie nicht die Gnade Gottes erlangt haben, wie wir sie erlangt haben, und daß sie daher nicht entlang der Richtlinie strikter Gerechtigkeit gemessen werden sollten, sondern daß ihre Unvollkommenheiten uns vielmehr erlauben sollten, sie vernünftigerweise mit dem elastischen Band der Liebe zu messen. Es ist unsere eigene Verhaltensweise, nach der wir nach dem Maß der Gerechtigkeit, der goldenen Regel, selbst gemessen werden sollen.

Wie Liebe das Maß übersteigen kann

Wie klar setzt der Meister diese Bedingungen fort, indem er uns dazu drängt, die goldene Regel als Maßstab für unsere Haltung gegenüber anderen anzuwenden, daß wir in der Beurteilung ihres Betragens uns gegenüber so goßzügig sein sollen, wie wir auch wünschen, daß der Herr in Seinem Gericht mit uns sein soll, in Harmonie mit der Feststellung: „Denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr meßt, wird euch zugemessen werden.” – Matthäus 7:2 Eine rechte Wertschätzung dieser Grundprinzipien, Gerechtigkeit und Liebe und ihre Anwendung durch des Herrn Volk in ihren täglichen Angelegenheiten des Lebens würde sie über die Welt erheben. Es würde vielen einen Streit, vielen ein Gerichtsverfahren ersparen, vielen ein Zerwürfnis; es würde des Herrn Volk zu einem strahlenden Beispiel der Freundlichkeit, Großzügigkeit und Liebe machen und zur gleichen Zeit einem Beispiel der Gerechtigkeit, des rechten Lebens und bewährter Ehrenhaftigkeit.

Liebe ist nicht wie die Gerechtigkeit ein genaues Prinzip, um gemessen oder gewogen zu werden. Sie ist einfach im Charakter; sie ist mitfühlend, sie ist verständnisvoll in dem Sinn von Blutsverwandtschaft der Seele – warmherzig; sie ist ehrerbietig. Diese verschiedenen Formen der Liebe werden entsprechend dem zuvor erwähnten Gegenstand ausgedrückt, in welchem die Liebe im Mittelpunkt steht. Mitfühlende Liebe ist die niedrigste Form der Liebe. Sie nimmt sogar von dem Widerwärtigen und Erniedrigten Kenntnis und ist aktiv, Hilfsmaßnahmen zu treffen. Verständnisvolle Liebe steht höher und bietet Gemeinschaft, Kameradschaft. Ehrerbietige Liebe aber übersteigt all diese und erfreut in der Erwägung des Guten, dem Reinen und Schönen. In dieser letzteren Form mögen wir in der Tat Gott als die Personifizierung dessen, was wahrhaft der Bewunderung und Ehrerbietung wert ist, über alles lieben, und unsere Mitmenschen in dem Maße, in dem sie Ihm ähnlich sind. Das göttliche Gesetz fordert Liebe, Liebe zu Gott und zu den Menschen.

Obwohl wir diese einem jeden Menschen in einem Sinn als eine Pflicht schulden, können wir sie nicht von einem anderen einfordern. Die Liebe aber übersteigt die Gerechtigkeit. Sie rüttelt das Maß, drückt es zusammen und häuft es auf. Der Mangel an Liebe sollte jedoch von Christen nicht beklagt werden. Wenn sie aber gespendet wird, so sollte sie dankbar wertgeschätzt und großzügig erwidert werden. Ein jeder, der sich nach Liebe sehnt, sollte sich nach ihr im höchsten Sinn sehnen – in dem Sinn der Bewunderung und Ehrerbietung. Aber diese Form der Liebe ist die kostbarste; und der einzige Weg, sie zu erwerben, ist kundzutun, daß der Adel des Charakters, der sie erweckt, von anderen herbeigerufen wird, die wahrhaftigen Adel zeigen und wahrhaft wie unser Herr Jesus sind.

Die von Mitgefühl und Gemeinschaft gezeugte Liebe ist auch sehr kostbar. Aber irgendein Gefühl, daß nur in Erwiderung gegenüber einer Forderung entsteht, ist des feinsten Aromas der Liebe beraubt. Daher fordere niemals Liebe, sondern vielmehr durch ihr Kundtun gegenüber anderen erwerbe sie durch ihre Erwiderung. Die Liebe aus Mitleid wird nicht durch den Adel des Motivs hervorgerufen, sondern vielmehr durch den Adel des Verleihers, dessen Herz so voll Liebe ist, daß es in großzügigen Impulsen sogar gegenüber dem Unwürdigen überfließt. Alle Veranlassungen zum Mitleid sind jedoch der Liebe im höheren Sinn nicht unwürdig; und einige von ihnen stützen sich in jedem Sinn auf unsere Liebe.

Eine selbstsüchtige, einseitige Sicht

Zu fordern, daß die Liebe in Segnungen überfließt – was jenseits des Anspruchs der Gerechtigkeit ist – ist nur ein Ausdruck der Begehrlichkeit. Wir mögen nach diesem Prinzip uns selbst zu lieben, handeln, aber wir dürfen es nicht von anderen beanspruchen. Wenn wir es tun, dann offenbaren wir einen Mangel an Liebe und den Besitz eines beträchtlichen Maßes von Selbstsucht. Einige scheinen klar zu erkennen, wo brüderliche Liebe ihnen gegenüber gezeigt werden solle, aber sie sind darin langsam, ihre eigenen Pflichten in diesem Zusammenhang zu erkennen.

Als ein Beispiel angeführt teilten sich einst zwei Geschwister einen Raum und durch einen Fehler, die wirklichen Ansprüche beider zu erwägen, Liebe und Gerechtigkeit, versuchte einer die brüderliche Liebe des anderen in soweit auszunutzen, daß er von ihm erwartete, daß er die ganze Rechnung für den Raum bezahlen würde. Als der andere die Forderung der Gerechtigkeit stellte, forderte der erste die Inanspruchnahme der brüderlichen Liebe, und der erste gab unwillig nach, indem er nicht wußte, wie er die Forderung hätte anfechten können, doch er hatte das Gefühl, daß einige Christen weniger Prinzipien haben als weltliche Leute. Wie seltsam ist es, daß irgendein Kind Gottes einen so engstirnigen, so einseitigen, so selbstsüchtigen Standpunkt einnehmen sollte. Können nicht alle erkennen, daß Liebe und Gerechtigkeit in beide Richtungen wirken sollten, daß es die Pflicht eines jeden ist, andere in dieser Hinsicht nicht zu übervorteilen, sondern gut auf seine eigene Handlungsweise zu achten, um zu sehen, daß man brüderliche Liebe offenbart, und daß, wenn wir andere belehren wollen, dies vielmehr durch Beispiele geschehen sollte als durch Vorschriften?

Laßt die Liebe an höchster Stelle stehen

Wir wollen auf der Hut sein vor einer Neigung zur Habsucht. Ein jeder sollte sich daran erinnern, daß er als Verwalter über die Güter des Herrn gesetzt ist, die ihm anvertraut wurden, und nicht über jene, die seinem Bruder anvertraut sind; daß ein jeder gegenüber dem Herrn für das verantwortlich ist, was der Meister in seine Hände gelegt hat, und keinem anderen. Es gibt nichts, was ungebührlicher und unschöner bei den Kindern Gottes ist, als eine Neigung zu kleinlichem Kritisieren der persönlichen Angelegenkeiten untereinander. Es ist eine Beschäftigung, die zu unbedeutend für die Heiligen ist und einen traurigen Mangel an jener brüderlichen Liebe offenbart, welche in einer besonderen Breite und Großzügigkeit offenbar werden sollte, welche eine große Menge von Sünden bedecken würde, anstatt sie zu vervielfachen.

Der Christ soll eine liebende, großzügige Neigung des Herzens besitzen – eine Kopie der Neigung des Himmlischen Vaters sein. In den alltäglichen Angelegenheiten sollte er so viel Mitgefühl und Liebe zeigen, daß er die Unzulänglichkeiten nicht beachten wird, so wie Gott um Christi willen mit uns handelt und uns die Sünde nicht anrechnet, es sei denn, daß sie mit Wissen und willkürlich geschieht. Solch eine unter Christen wirkende Regelung, ein Entschluß, nichts als eine Anfeindung zu betrachten, was nicht mit Absicht getan wurde oder sich als ein Angriff zeigt, würde eine große Segnung für alle bedeuten und dem angemessenen gottähnlichen Verlauf entsprechen. Die Übertretungen, auf die unser Herr in Matthäus 18:15 – 17 hinweist, sind nicht alltägliche Angelegenheiten ohne Konsequenzen, sind nicht böse Einbildungen und Vorstellungen, sind keine Gerüchte, sind keine eingebildeten Beleidigungen, sondern eindeutige uns gegenüber geäußerte Beleidigungen, und auf Grund dessen es unsere Pflicht ist, zwar freundlich, lieblich und weise, aber mit angemessenen Worten hinzuweisen – mit einer Feststellung, daß wir die Beleidigung erkannt haben, und daß sie uns geschmerzt und verletzt hat und der Korrektur bedarf.

Die Sinnesart zu vergeben sollte bei uns immer vorhanden sein und sollte von uns zu jeder Zeit gezeigt werden. Unsere liebevolle Großzügigkeit, unsere Freundlichkeit und unser Wunsch nichts Böses zu denken oder so wenig wie möglich, sollte in allen Worten und Taten des Lebens offenbar werden. Dies ist Gott-ähnlich. Gott hatte eine freundliche, wohlwollende und großzügige Empfindung uns gegenüber, selbst als wir noch Sünder waren. Noch erwartete Er von den Sündern, daß sie um Vergebung bitten sollten, sondern offenbarte unverzüglich Seinen Wunsch zur Harmonie und Seiner Bereitschaft zu vergeben. Die ganze Evangeliumsbotschaft führt zu diesem Ergebnis: „Laßt euch versöhnen mit Gott!” Unsere Herzen sollten so erfüllt von dieser Neigung zur Vergebung sein, daß unsere Angesichter keinen Ausdruck der Härte noch unsere Worte des Tadels einen bitteren Stachel zeigen sollten. Wir sollten die liebende Vergebung zeigen, die wir zu aller Zeit in unseren Herzen haben sollen.

Mögen Liebe und Gerechtigkeit ihren angemessenen, entsprechenden Platz in den Herzen des Volkes Gottes finden, so daß der Feind keine Gelegenheit zu triumphieren finden kann. Der Psalmist sagte: „Wie liebe ich dein Gesetz. (Das Gesetz der Liebe, dessen Grundlage die Gerechtigkeit ist). Es ist mein Nachdenken den ganzen Tag.” – Psalm 119:97 Es ist sicherlich so, wenn von allen über Gottes Gesetz ständig nachgedacht würde, dann weniger und weniger krasse Fehler gemacht würden, als wir oft sehen. Wir wollen wachen und nüchtern sein, daß der Widersacher und unser gefallenes Fleisch nicht einen Vorteil über uns als Neue Schöpfungen erlangen mögen. Unser Ich soll mehr und mehr beseitigt sein und Liebe den höchsten Stellenwert einnehmen.