„Wachet also, denn ihr wisset nicht, zu welcher Stunde euer Herr kommt.” – Matthäus 24:42 – 51
Diese Aufforderung folgte auf die große Prophezeiung unseres Herrn über die Ereignisse des Evangeliumszeitalters, die in Matthäus 24 und Lukas 17 und 21 niedergeschrieben sind. Der Ausspruch ist nicht etwa eine Ermahnung dazu, in den Himmel hinaufzuschauen in der Hoffnung, das zweite Kommen unseres Herrn zu beobachten, wie manche es offenbar verstehen. Ganz im Gegenteil: Unser Herr hat kurz vorher erklärt, daß die Welt im allgemeinen zur Zeit seiner zweiten Gegenwart beschäftigt sei mit Essen und Trinken, mit Pflanzen und Bauen, mit Heiraten und Verheiraten, und sie wisse nichts von seiner Gegenwart. Er hatte gesagt, daß die Leute zur Zeit seiner Gegenwart von ihrem Acker, aus ihrer Mühle und aus ihrem Bett gerufen würden zu der Speise der gegenwärtigen Wahrheit, die er bereitstelle. Und daß sie, wenn jemand zu ihnen sagen würde ’Siehe hier’ oder ’Siehe dort’, ’Siehe in den verborgenen Kammern’ oder ’in der Wüste’, es nicht glauben würden, noch damit rechnen würden, ihn in dieser Erscheinung zu sehen, denn die Zeichen oder Beweise seiner Gegenwart seien nicht geheim sondern für alle erkennbar, wie es das Licht der Morgensonne ist.
Außerdem sollten wir beachten, daß sich überhaupt nichts in dieser Textstelle oder ihrem Kontext auch nur entfernt darauf bezieht, nach dem Tod Ausschau zu halten; solch eine Mutmaßung ist nur dadurch erklärbar, daß sehr viele den Worten des Meisters eine sehr unvernünftige Bedeutung geben. Der Tod ist nicht Sache unseres Herrn, sondern ganz im Gegenteil der große Feind – „Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod.” – 1. Korinther 15:26
Wir sollen die Zeichen der Zeit beobachten, die der Herr in der unserem Vers vorausgehenden Prophetie, die zur Wachsamkeit auffordert, so nachdrücklich aufgezeigt hat. Die Bestrebungen der Welt, des Fleisches und des Teufels sind angetan, unsere Zeit, unsere Gedanken, Interessen und Neigungen zu weltlichen Dingen, wie Essen, Trinken, Heiraten, Bauen, Pflanzen, unsere Geschäfte und Vergnügungen, unser Suchen bei Sektentum und mit Absicht überlieferten Irrlehren für sich einzunehmen. Als Gegenstück zu diesen schädlichen Einflüssen legt uns der Herr als erstes den Gedanken vor, daß er ein zweites Mal kommt, um uns zu sich zu versammeln und schließlich in seinem Reich zu sich zu nehmen, und um uns dann in dem großen Werk der Segnung aller Geschlechter der Erde einzusetzen: Durch die prophetische Aufzählung der Verhältnisse, die während der Zeit unseres Wartens herrschen werden, zielte er, zweitens, darauf ab, unser Denken von den Gegebenheiten in der Welt abzuziehen und uns etwas zu geben, das dazu beitragen soll, unsere Gedanken, Gefühle und Interessen fest auf seine Dinge zu richten. Dies ist seine Hilfestellung, um unser Suchen nach geistlichen Dingen stetig werden zu lassen und uns immer bereit vorzufinden. Es ist jedoch vollkommen abwegig anzunehmen, daß man als Wachender die zahlreichen Zeichen der Prophezeiung unseres Herrn ignorieren soll. Wer der Aussage von Petrus: „Und so besitzen wir das prophetische Wort befestigt” – 2. Petrus 1:19 – 21 keine Beachtung schenkt, der wacht nicht und wird nichts erkennen.
So schließen wir daraus, daß die Aufforderung „Wachet also” bedeutet, daß das Volk des Herrn aufmerken sollte auf den Umstand seines Kommens und auf die vielfältigen Ereignisse in der Wartezeit. Wohl werden sie nicht wissen, wie schnell die Dinge ihrem Höhepunkt zutreiben, doch sie sollen ihre Erwartungshaltung bewahren und für seine Gegenwart bereit sein. Damit ist nicht die Bereitschaft durch Anziehen eines Himmelfahrtsgewandes gemeint, sondern die Bereitschaft, deren Symbol ein ’Kleid’ ist. Gemeint ist die Herzensstellung und der Lebenswandel, als würde man den Herrn jederzeit empfangen wollen und sei gerüstet für seine Überprüfung unseres Herzens und unseres Tuns. Gemeint ist auch, sein Wesen nachzuahmen und jederzeit seiner Sache zu dienen. Die irdischen Dinge haben es an sich, uns einzulullen und bei Selbstdisziplin und geistiger Regsamkeit im Dienst des Herrn schläfrig zu werden, wohingegen Wachen bedeutet, nicht zu schlafen, auf der Hut zu sein, Energie aufzuwenden. Wer das versucht hat, kann bestätigen, daß im Dienst des Herrn nichts hilfreicher ist für aufmerksames Wachen und Energie, als der Gedanke seines Kommens und das Studium der Prophezeiungen, die uns genau zu dem Zweck gegeben wurden, damit wir über die Zeit seines Kommens Bescheid wissen, damit wir nicht mit der Welt in Finsternis leben, noch vom Tag der Herrn überrascht werden, erschrocken wie von einem Dieb, wie es der Menschenwelt ergehen wird.
Daß die Aufforderung zu wachen so bedeutsam ist, hängt zusammen mit der darauffolgenden Ermahnung in Form eines Gleichnisses. Der Herr stellt die Welt der Menschen dar als einen Haushalt, dessen Oberhaupt der „Fürst dieser Welt”, Satan ist, dessen Haus in der Zeit der großen Drangsal, in der sich dieses Zeitalter auflöst und das neue Zeitalter beginnt, zerfallen wird. Wenn sich die Welt des Kommens des Herrn bewußt und auf die notwendig umwälzenden Veränderungen beim Wechsel der Zeitalter eingestellt wäre, würde sie ihre Belange anders als jetzt wahrnehmen, selbst wenn ihr Sinn nicht anders als jetzt wäre. Also wird von diesen Dingen in Gleichnissen und verhüllten Reden gesprochen, so daß weltlich gesinnte Leute sie vielleicht hören, doch nicht verstehen, sie vielleicht sehen und zur jetzigen Zeit nicht glauben. So wird der Tag des Herrn über sie kommen wie ein Dieb in der Nacht und wie die Wehen über eine Schwangere, und sie werden nicht entkommen. Aber wir als Geschwister – alle Treuen in Christo, die auf sein Reich warten und aufmerksam sind und danach trachten vorbereitet zu sein – wir werden nicht im Ungewissen gelassen, und es soll uns nicht wie ein Dieb überrumpeln. Wachen wir! Wir sollen nicht der Täuschung verfallen und ebensowenig wissen wie die Welt, die nicht wacht. Sondern wir wachen eben, so daß wir, wenn die Zeit da ist, uns dessen bewußt sind. – vgl. Thessalonicher 5:1 – 9
Lukas sagt (in Kapitel 12 Vers 41), daß Petrus wissen wollte, ob dieses unabdingbare Wachen ausschließlich auf die Apostel Anwendung findet oder für alle. Darauf antwortet unser Herr mit einer Frage, aus der hervorgeht, daß es während des Evangeliumszeitalters seine Vorgehensweise ist, sich in diesem Zeitalter bestimmter Personen oder Instrumente der Vermittlung und Darlegung der Wahrheit zu bedienen. Er fragte: „Wer ist nun” zu jener Zeit – der Zeit der zweiten Gegenwart des Herrn – der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seinen Haushalt gesetzt hat, um ihm Speise zur rechten Zeit zu geben? Wer wird das sein? Jeder, der diese Position einnimmt, wird in einer glücklichen Lage sein, wenn ihn der Herr bei seinem Kommen bei dergleichen Tun vorfindet – sorgsam in seinem Dienst für den Haushalt des Glaubens, dem er Speise bereitstellt zur rechten Zeit. Wenn jener Verwalter in den Prüfungen dieser Epoche beständig treu ist, wird er sein Amt fortführen dürfen und wird ein Werkzeug sein für die Verbreitung des ganzen Reichtums an Gnade und Wahrheit, der für den Haushalt des Glaubens bestimmt ist. Sollte er aber seinen Glauben an die Gegenwart des Herrn verlieren, aufgeblasen und tyrannisch seinen Mitknechten gegenüber werden und maßlos in seinen Worten und Taten, wird der Herr nichtsdestoweniger gegenwärtig sein – wenn der Verwalter seinen Glauben an die Gegenwart eingebüßt hat, wird diese Tatsache nicht umgestoßen -, dann wird er sein Amt verlieren, wird den Kontakt zum Haushalt des Glaubens verlieren und wird zu den Heuchlern gerechnet werden, auch wenn er nicht einer von ihnen, sondern ein ungetreuer Verwalter war.
Sein Teil mit den Heuchlern zu haben bedeutet, daß er wie sie die große Drangsal erleben muß, die nach dem Sammeln der Herauswahl des Herrn kommt, eine Zeit der Drangsal, die es seit Menschengedenken nicht gegeben hat, in dem Ausdruck „da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen” – Matthäus 13:42 und 24:51 – veranschaulicht.
Diese Antwort auf Petrus’ Frage enthält zunächst eine eindrucksvolle Weissagung über das Vorgehen des Herrn am Ende dieses Zeitalters, sie stellt aber auch einen vorausschauenden Fingerzeig dar für diejenigen, die etwa wichtige herausragende Knechte oder Mitknechte sind, daß nämlich ihre Verantwortung dem Herrn gegenüber um so größer ist, je umfangreicher und bedeutsamer ihr Dienst ist.