Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

Das Gesetz

Bald nachdem Moses die Israeliten durch das Rote Meer und in die Wüste hinein geführt hatte, wurde er vom Herrn beauftragt, der Nation das Gesetz zu geben. Das geschah am Berg Sinai. Da wurde das Gesetz kurz zusammengefasst in den zehn Geboten übergeben. Das Verordnen des Gesetzes war ein höchst bedeutsames Ereignis in den Erfahrungen Israels. Gott versprach jedem, der das Gesetzt vollkommen halten könne und würde, Leben. (3. Mose 18:5; Nehemia 9:29; Hesekiel 20:11) Das bedeutete, dass ein solcher Gesetzestreuer nie altersschwach werden und schließlich sterben würde.

In einer Bezugnahme auf die Bedeutung dieses Versprechens Gottes schrieb Paulus im Neuen Testament: „Der Tod herrschte von Adam bis auf Moses, selbst über die, welche nicht gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung Adams.“ (Römer 5:14) Adam sündigte willentlich und brachte damit selbst die Todesstrafe über sich. Seitdem sind alle seine Nachkommen infolge seiner Übertretung gestorben.

Das Gesetz diente als Beweis dafür, dass die gefallene Menschheit nicht fähig ist, sich durch eigene Gerechtigkeit dauerhaft das Leben zu bewahren. Wenn auch nur diese eine kleine Nation Israel dieser Prüfung unterzogen wurde, so würde das Ergebnis bei allen anderen Nationen und Volksstämmen nicht anders ausgefallen sein. Alle sind unvollkommen und mit Sünde beladen. Alle sterben und benötigen die Hilfe Gottes, um dauerhaftes Leben erhalten zu können.

In Bezug auf Israel diente das Gesetz auch noch einem anderen Zweck. Durch Moses sprach der Herr zu dem Volk: „Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch getragen auf Adlers Flügeln und euch zu mir gebracht habe. Und nun, wenn ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein; und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.“ – 2. Mose 19:4-6

Wie wir bemerkt haben, bezeichnet der Name Israel jemanden, der mit Gott herrscht, nämlich als dessen Repräsentant. Der Gedanke ist, dass das Volk, dem Gott diesen Namen verlieh, erwählt wurde, ihn auf der Erde zu vertreten, das heißt – in Übereinstimmung mit Gottes Verheißungen und seinem Plan – zu lehren und zu herrschen und zu segnen. Aber es war keine bedingungslose Erwählung. Um diese ehrenvolle Mitherrschaft gemäß der göttlichen Vorsehung antreten zu können, müssen die Kinder Jakobs zuerst ihre Würdigkeit beweisen, und zwar durch aufrichtiges und entschlossenes Bemühen, der Stimme des Herrn zu gehorchen und seinen Bund, den sie mit ihm eingegangen sind – den Gesetzesbund – treu zu halten.

Sechs Zeitperioden

Beginnend mit dem Auszug aus Ägypten und dem Empfang des Gesetzes, durchlief Israel sechs Zeitperioden ihrer nationalen Existenz, ehe die Nation aufgelöst und das Volk über die ganze Erde zerstreut wurde.

1. Die erste dieser Perioden war ihre vierzigjährige Wanderung durch die Wüste. Wegen ihres rebellischen Verhaltens – das sich besonders deutlich zeigte, als sie den Bericht der Minderheit der ausgesandten Kundschafter bezüglich ihrer Fähigkeit, das Land Kanaan zu erobern, ablehnten – entschied der Herr, dass alle Männer, die beim Verlassen Ägyptens älter als zwanzig Jahre waren, in der Wüste sterben sollten. Nur für die zwei treuen Kundschafter Kaleb und Josua sollte dies nicht gelten.

2. Nach dem Tod Moses´ wurde Josua der Führer der Nation, und unter ihm überquerten sie den Jordan in das verheißene Land Kanaan. Hier begann eine weitere Zeitperiode ihrer nationalen Erfahrung. Es handelte sich dabei hauptsächlich um die Verteilung des Landes unter die zwölf Stämme und um Konflikte, die sich bei der Inbesitznahme der ihnen zugesprochenen Landesteile ergaben. Josua war ein treuer Anführer – treu gegenüber seinem Volk und gegenüber dem Herrn.

3. Nach Josuas Tod folgte die Periode der Richter. Die Nation wurde nicht von einer zentralen Regierung aus beherrscht, sondern jeder war frei zu tun, was ihm beliebte, wobei er natürlich seinem eigenen Gewissen hinsichtlich der Bedingungen des am Sinai gegebenen Gesetzes gehorchen sollte. Das Verhalten des Volkes unter dieser Regelung war überhaupt nicht hinnehmbar. Wenn sie zu sehr in Sünde verstrickt waren, besonders den Götzendienst betreffend, dann bestrafte der Herr sie, indem er zuließ, dass andere Nationen, wie zum Beispiel die Midianiter, sie überfielen. Schrien sie dann zum Herrn um Hilfe, erweckte er ihnen „Richter“, um sie zu befreien.

4. Der letzte der Richter war Samuel, der zugleich als Prophet diente. Während seiner Amtszeit rief das Volk nach einem König. Sie wollten sein wie andere Nationen. Der Herr forderte Samuel auf, die Israeliten vor den Schwierigkeiten zu warnen, die unter der Herrschaft eines Königs auf sie zukommen würden. Doch sie bestanden darauf, einen König zu bekommen; und der Herr wies Samuel an, einen König als Herrscher über sie zu salben. Ihr erster König war Saul, der durch seine Bosheit bekannt wurde und den der Herr verwarf; sein Tod war ein schmählicher, nämlich durch Selbstmord.

Als Nachfolger Sauls wurde David erwählt. Gott sagte von David, dass er ein Mann nach seinem Herzen sei. (Apostelgeschichte 13:22) Nach dem Willen des Herrn sollte aus Davids Familie der große Befreier Israels und der ganzen Welt hervorgehen – der Messias. Mit Bezug auf Davids Sohn Salomo, der auf dem Thron Israels folgte, sprach der Herr zu David: „Meine Güte soll nicht von ihm weichen, wie ich sie von Saul weichen ließ, den ich vor dir weggetan habe. Und dein Haus und dein Königtum sollen vor dir beständig sein auf ewig, dein Thron soll fest sein auf ewig.“ – 2. Samuel 7:15

Auf dieses Versprechen wird in der Bibel Bezug genommen als auf „die gewissen Gnaden Davids“. (Jesaja 55:3) Das ist eine Beschreibung dessen, dass die Erfüllung des Versprechens Gottes von der Gnade des Herrn abhängig sein würde. Nicht nur Salomo, sondern auch andere Nachfolger aus der Linie Davids haben in abscheulicher Weise das Gesetz Gottes übertreten. Dennoch hat er das Königtum nicht von der Familie genommen. Es ist interessant und glaubensstärkend zu lesen, in welch’ wunderbarer Weise der Herr die Thronerben Davids über die Periode der Könige hinweg beschützte.

Nach dem Tod Salomos erfolgte eine Teilung des Königtums. Rehabeam war der rechtmäßige Erbe des Throns, aber unter der Führung Jerobeams sagten sich zehn der Stämme von Juda und Benjamin los. Danach herrschte die davidische Königslinie nur noch über zwei Stämme. Es änderte sich dadurch aber nichts an Gottes ursprünglicher Absicht bezüglich des großen Königs und Messias, den zu senden er versprochen hatte; denn dieser große Eine, der von Gott Ausersehene, sollte aus dem Stamm Juda kommen. – 1. Mose 49:10

Das Zehn-Stämme-Reich der Nation wurde ausnahmslos von bösen Königen regiert. Und zur bestimmten Zeit erfolgte eine Eroberung durch die Assyrer; das Volk wurde nach Assyrien in die Gefangenschaft geführt. Einige Könige aus der Linie Davids, die das Zwei-Stämme-Reich regierten, waren dem Herrn treu, einige waren es nicht. Auf den letzten von ihnen wird in Hesekiel 21:30 hingewiesen als auf einen unheiligen, gesetzlosen Fürsten Israels; und es wird erklärt, dass der Tag gekommen sei, der Ungerechtigkeit ein Ende zu machen.

Das geschah im Jahr 606 v. Chr., als Nebukadnezar, König von Babylon, das Heilige Land erobert hatte, Jerusalem zerstörte und den König Zedekia sowie auch das Volk nach Babylon in die Gefangenschaft führte. Auf den ersten Blick mag es an dieser Stelle so scheinen, als habe Gott sein Versprechen, das „Zepter“ von Juda nicht weichen zu lassen und die davidische Königslinie zu bewahren, nicht halten können. Doch so ist es nicht! Der Prophet Hesekiel sagte: „Dies wird nicht mehr sein – bis der kommt, welchem das Recht gehört“, was bedeutet, dass das Königtum nur für eine gewisse Zeit unterbrochen, später aber wiederhergestellt werden würde. – Hesekiel 21:32

5. Die nächste Periode in Israels nationaler Existenz war die Zeit der Gefangenschaft in Babylon. Sie dauerte siebzig Jahre. Die Nation war nicht zerschlagen worden, wenn sie auch ihre nationale Unabhängigkeit verloren hatte. Als die Gefangenschaft endete und dem Volk gestattet wurde, nach Palästina zurückzukehren, erhielt die Nation dennoch nicht ihre volle Freiheit zurück. Sie blieben als Nation weiterhin in Abhängigkeit.

Eine der hervorragendsten Persönlichkeiten in Israels Geschichte trat während der babylonischen Gefangenschaft ins Licht der Öffentlichkeit. Es war der Prophet Daniel. Daniel diente nicht nur dem Herrn als ergebener Prophet, sondern er wurde auch der Premierminister des Reiches, der nur dem König selbst unterstellt war. Dieses hohe Amt blieb ihm auch erhalten unter dem König der Meder, der Babylon erobert hatte. Einmal geschah es, dass Daniel sich weigerte, einem Erlass des Königs zu gehorchen, worauf er in eine Löwengrube geworfen wurde, in der sein Leben wie durch ein Wunder nicht angetastet wurde.

6. Am Ende der siebzigjährigen Gefangenschaft erließ König Cyrus (Kores) ein Dekret, das den Israeliten gestattete, in ihr Land zurückzukehren, und sie ermächtigte, ihren Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Wie uns in 2. Chronik 36:22 und Esra 1:1 berichtet wird, „erweckte der Herr den Geist Kores, des Königs von Persien,“ um diesen Erlass zu verkünden. Da Daniel bis in die Zeit dieses Königs hinein lebte, geschah es vermutlich in Verbindung mit ihm, dass der Herr den Cyrus dazu bewegte, diesen für die Israeliten so günstigen Beschluss zu fassen.

In den Büchern Esra und Nehemia haben wir einen ziemlich ausführlichen Bericht über die ersten zehn Jahre nach dem offiziellen Ende der Gefangenschaft. In diesen Aufzeichnungen erscheinen die Namen von Esra, Nehemia, Serubbabel und anderen, die vom Herrn dazu ersehen wurden, zuerst den Tempel und dann die Stadt Jerusalem und ihre Mauern wieder aufzubauen, die zur Zeit ihrer Wegführung in die babylonische Gefangenschaft zerstört worden waren.

Unter der Leitung Esras und Nehemias erfolgte eine Wiederhinwendung des Volkes zu Gott, und Esra las ihnen die Worte des Gesetzes vor. (Nehemia 8) In Nehemia, Kapitel 10, ist von einem feierlich eingeweihten Bund die Rede, in den viele unter Anleitung ihrer Obersten eintraten. Dessen Gebote gingen noch über die Forderungen des Gesetzes hinaus, und einige Gelehrte glauben, dass dies die ersten kleinen Anfänge der späteren Schriften des Talmud waren, die auch heute im Leben vieler Israeliten maßgebend sind.

Nach der Beschreibung der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Tempels, der Stadt und der Mauern von Jerusalem folgen in der Bibel keine weiteren Informationen über die Nation bis zur Geburt Jesu. In den Büchern der Apokryphen wird von den heroischen Bemühungen der Familie der Makkabäer berichtet, sich von den assyrischen Unterdrückern der Israeliten zu befreien. Für eine kurze Zeit wurden Könige in Jerusalem eingesetzt, doch diese kurzlebige Dynastie wurde durch die Römischen Eroberer beendet.

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