Verlag und Bibelstudien-Vereinigung e. V.

Der Jünger, den der Herr liebte

Lesedauer: 17 Minuten

Der Evangelist Matthäus berichtet darüber, wie der Herr am See Genezareth seine ersten Jünger beruft, Andreas, Petrus, Johannes und Jakobus. Sie alle sind Fischer und verlassen sogleich die Netze und folgen Jesus nach, um von nun an „Menschenfischer” zu werden. – Matthäus 4:18 – 22

Drei der zuerst berufenen „Menschenfischer”, Petrus, Jakobus und Johannes, behandelt der Herr in einer bevorzugten Weise, indem er ihnen besondere Offenbarungen gibt, die den anderen Jüngern nicht wiederfahren. Alle drei sind bei der Erweckung der Tochter des Jairus zugegen, die vorbildlich von der Auferweckung und Auferstehung aller Menschen im Königreich spricht. – Markus 5:37

Jesus nimmt Petrus, Jakobus und Johannes mit auf den Berg, wo er vor ihren Augen umgestaltet wird, und auch hier handelt es sich um ein Bild des Königreiches Christi. – Matthäus 17:1 – 9 Schließlich sind die drei Jünger auch die Zeugen seines Ringens im Gebet in Gethsemane. – Matthäus 26:37

Wenn wir uns fragen, warum Petrus, Jakobus und Johannes unserem Herrn anscheinend näher standen als die übrigen Jünger, so mögen wir ihren besonderen Eifer und ihre Liebe für den Herrn anführen, die sie bei verschiedenen Gelegenheiten unter Beweis stellten. Auch wenn sie am Anfang ihres Weges in ihrem Eifer und ihrer Liebe für den Herrn manchmal zu weit gingen, und vom Herrn getadelt werden mußten, sah der Herr doch ihren rechten Herzenszustand. Sie waren wie „ungeschliffene Diamanten”, deren Wert der Herr sogleich erkannte, die aber noch der Zubereitung durch Prüfungen und Erfahrungen bedurften, um später zu „Säulen” in der Urkirche zu werden. – Galater 2:9

Sicherlich war es nicht ohne Bedeutung, daß der Herr nur diese drei Jünger mit auf den Berg nahm, wo er vor ihren Augen umgestaltet wurde. Und wir haben schon festgestellt, daß die Umgestaltung Jesu, die zudem auf einem „Berg” stattfand, ein Bild oder eine Illustration ist, die das Königreich Christi betrifft. In diesem Königreich gibt es drei Klassen, – die Kirche, die Große Schar und die Alttestamentlichen Überwinder – die jeweils unterschiedlich und auf verschiedenen Ebenen an der Aufrichtung und Wiederherstellung des Menschen beteiligt sind.

Zwischen dem himmlischen „Zion”, von dem das „Gesetz” ausgeht, und dem irdischen „Jerusalem”, von dem das „Wort Gottes” ausgehen wird, muß es eine Verbindung geben, weil göttliche Wesen nicht mit fleischlichen Wesen sprechen können. Wir können vermuten, daß dies eine der Aufgaben der Großen Schar sein wird, die die Engelsnatur besitzen wird, die himmlischen Gesetze den Menschen auf der Erde zu überbringen.

Zum Beweis führen wir die Worte aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 28:12 und 13 an, wo es heißt: „Und er (Jakob) träumte, und siehe, eine Leiter war auf die Erde gestellt, und ihre Spitze berührte den Himmel, und siehe, Engel Gottes stiegen darauf auf und nieder. Und siehe, der Herr stand über ihr und sprach … .”

Und in Johannes 1:51 lesen wir die Worte Jesu: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen.”

Es stellt sich nun die Frage: Könnten Johannes, Petrus und Jakobus diese drei Klassen bildlich darstellen? Laßt uns im weiteren untersuchen, ob es bestimmte Anhaltspunkte dafür gibt, und worin sie bestehen könnten.

Der Jünger, den der Herr liebte

Wir haben feststellen können, daß Petrus, Jakobus und Johannes den Herrn sehr liebten, und ihm ihre Liebe durch besonderen Eifer für ihn und seine Botschaft zeigten. Und auch der Herr hatte einen besonders vertrauten Umgang mit diesen drei Jüngern, die stets in seiner Nähe waren, und die bevorzugt Zeugen von solchen Ereignissen wurden, die ihr Gegenbild im Königreich Gottes finden.

Johannes spricht in dem nach ihm benannten Evangelium von einem Jünger, „den der Herr liebte”, und es ist für uns nicht schwer zu verstehen, daß sich Johannes hinter dieser Feststellung verbirgt, mit der er sich bewußt von allen Jüngern absetzte. Weil wir nicht annehmen können, daß Johannes hier mit Hochmut sprach, so muß es einen anderen Grund für diese Aussage geben. Da der Herr alle Jünger liebte, kann diese Aussage nur so verstanden werden, daß der Herr vor allen anderen Johannes liebte. Wir fragen uns natürlich, war dies nur die Wahrnehmung des Johannes, weil sie nur in seinem Evangelium berichtet wird, und war sie überhaupt berechtigt?

Für einen so hohen Anspruch muß es Beweise geben. Doch laßt uns auch hier daran erinnern, daß die Schreiber der Evangelien nur das schrieben, was der Geist Gottes ihnen eingab, uns zu überliefern. Damit scheidet der Gedanke aus, daß sich Johannes aus eigenem Antrieb vor allen Jüngern der Liebe seines Meisters für ihn rühmen wollte.

Von allen Evangelisten ist Johannes der einzige Augenzeuge, der in allen Situationen seinem Meister nahe war, auch in solchen, von denen die übrigen Evangelisten nur vom Hörensagen berichten konnten, wie zum Beispiel von dem Geschehen unter dem Kreuz Jesu.

Johannes ist der Jünger, der beim letzten Abendmahl liebevoll an der Brust des Herrn lag, und dem Petrus ein Zeichen machte, den Herrn zu fragen. – Johannes 13:23 und 24 Und er ist der Jünger, dem Jesus seine Mutter mit den Worten anvertraute: „Frau, siehe dein Sohn!” – Johannes 19:26 Vor allem aber ist er der Jünger, der bei Jesus bis zuletzt am Kreuz ausharrt.

Nur Johannes überwand die Furcht, die alle Jünger ergriffen hatte, als Jesus zur Geißelung und Kreuzigung überliefert wurde, und er nur harrte in der schwersten Stunde bei seinem Herrn in der Nähe des Kreuzes aus, nachdem alle anderen Jünger geflohen waren. – Matthäus 26:56

„Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus”, stellt der Jünger in 1. Johannes 4:18 fest, und scheint dabei von seinen eigenen Erfahrungen zu sprechen. Johannes liebte den Herrn mehr als sein menschliches Leben. Und diese Einstellung entspricht dem Charakter der Klasse der Leibesglieder des Herrn, die bereit sind, ihrem Meister bis in den Tod zu folgen. – Offenbarung 12:11

Johannes scheint hier im besonderen die Worte der Offenbarung zu bestätigen „… diese sind es, die dem Lamm folgen, wohin es auch geht.” – Offenbarung 14:4 „Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach! Und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein.” – Johannes 12:25 und 26 Diese Worte sprechen sowohl von der Nähe in den Leiden bei dem Herrn, als auch von der nachfolgenden Herrlichkeit.

Wenn wir den Charakter des Johannes beschreiben sollten, so würden wir wohl die Charaktereigenschaft der Liebe an die erste Stelle setzen. Aber es war nicht irgendeine Art von Liebe, sondern die vollkommene Liebe, die agapi-Liebe, die Johannes gegenüber seinem Herrn unter Beweis stellte, und die er später in seinen Briefen zum Ausdruck bringt. Der Apostel Johannes zeigte diese Liebe, die der Herr bei allen seinen Nachfolgern sucht, die seine Leibesglieder werden möchten. So können wir auch verstehen, daß er der Jünger war, „den der Herr liebte”. Der Herr liebt seine treuen Fußstapfennachfolger, die Kirche, und die Kirche liebt ihn.

Wir bemerken aber auch im Gegensatz dazu, daß Petrus in Gethsemane seine Furcht nicht überwinden konnte, und in der Stunde der Prüfung seine Liebe zum Herrn versagte, auch wenn er dies später bitter bereute. Und auch alle anderen Jünger wurden von Furcht getrieben und zerstreut. Ja, Petrus war in einer solchen Verfassung, daß sein Glaube an den Herrn in Gefahr war, und er wäre wie Judas verlorengegangen, wenn nicht der Herr für das Fortbestehen seines Glaubens zum Vater gebetet hätte. – Lukas 22:32

Nachdem Petrus seine Berufung zum „Menschenfischer” aufgegeben hatte und zum Fischfang an den See Genezareth zurückgekehrt war, beruft ihn der Herr erneut in seinen Dienst und stellt ihm die bekannte Frage: „Simon, Jona, liebst du mich mehr als diese?” – Johannes 21:15

Nach allem, was im Garten Gethsemane geschehen ist, nachdem Petrus den Herrn dreimal vor den Menschen verleugnet hat, kann er die tiefe Liebe – (im griechischen steht hier das Wort agapi) – nicht mehr bestätigen, die in der Frage Jesu zum Ausdruck kommt, und er antwortet entsprechend: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe (oder gern habe)”. Im griechischen steht hier das Wort phileo, das eine Liebe bezeichnet, die man für einen Freund empfindet.

Wir mögen fragen, warum „der Jünger, den der Herr liebte”, als einziger der Jünger, die Jesus nachfolgten, nicht eines gewaltsamen Todes starb, während Jakobus, Petrus und andere auf diese Weise vom Leben abgeschnitten wurden. Die Antwort könnte darin bestehen, daß Johannes, der als einziger der Jünger bei seinem Herrn am Kreuz ausharrte, schon hier gezeigt hatte, daß er bereit war, sein Leben um Christi willen zu verlieren, und sinnbildlich hatte er es dort schon in den Tod gegeben. – Matthäus 10:39 Denn die Bereitschaft wurde ihm wie die tatsächliche Ausführung einer Tat angerechnet, wie auch Gott zu Abraham sagte, der bereit war seinen Sohn Isaak zu opfern: „Weil du dieses getan hast … werde ich dich reichlich segnen.” – 1. Mose 22:16

Auch Demut und Bescheidenheit scheinen bei diesem Jünger besonders ausgeprägt zu sein, der von seinem geliebten Meister gelernt hatte, und ihm nachstrebte. So suchen wir den Namen Johannes in seinem Evangelium vergebens, und erkennen ihn hier nur als einen der „Söhne des Zebedäus”. – Johannes 21:2 Ansonsten ist er „andere Jünger”, der andere Jünger, der mit Petrus zusammen war. – Johannes 18:15 Was diese beiden Jünger betrifft, so waren sie es, die das letzte Abendmahls vorbereiteten – Lukas 22:8 -, und sie sind auch gemeinsam die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu Christi. – Johannes 20:2 und 8

In der Nacht in Gethsemane, als Petrus den Herrn verleugnet, befindet sich Petrus in der Begleitung des „anderen Jüngers”, der dem Hohenpriester bekannt war, und darum auch ohne weiteres Einlaß in den Hof des Hohenpriesters fand. – Johannes 18:15 Dann, an dem ersten Wochentag nach der Kreuzigung, findet Maria Magdalena den schweren Rollstein von der Gruft Jesu entfernt, und sie läuft entsetzt von der Gruft weg und begegnet dabei Petrus und „dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte”. – Johannes 20:2 und 8 Auch hier verbirgt sich Johannes, der als Augenzeuge von dem berichtet, was er selbst im Garten Gethsemane erlebte, hinter der Bezeichnung „der andere Jünger, den der Herr liebte”.

Petrus und der „andere Jünger“

Es fällt uns auf, daß sich der Jünger Petrus immer in der Nähe des Jüngers Johannes befindet. Gemeinsam reisen sie von Ort zu Ort und predigen das Wort Gottes. Sie gehen gemeinsam durch Trübsale und sind gemeinsam im Gefängnis und verherrlichen Gott nach ihrer wunderbaren Befreiung gemeinsam mit Lobliedern.

Dann bemerken wir auch, daß Johannes, wenn er von den gemeinsamen Erlebnissen mit Petrus spricht, sich selbst als den „anderen Jünger” bezeichnet. – Johannes 18:15 und 20:2 Johannes und Petrus laufen auf dem gleichen Weg der Nachfolge mit dem Bestreben dem Herrn zu dienen und letztlich an seinem Königreich teilzuhaben. Und wie das Wort Gottes uns zeigt, sind letztlich beide „mehr als Überwinder” und Glieder des Leibes Christi geworden, wie auch die übrigen Apostel.

Dennoch können wir nicht die Unterschiedlichkeit zwischen beiden Lebensläufen übersehen, und wir haben schon den Tiefpunkt im Leben des Petrus erwähnt, als er seinen Herrn im Hof des Hohenpriesters drei Mal verleugnete und in großer Gefahr war, verloren zu gehen, wenn nicht der Herr den Vater für ihn gebeten hätte, daß sein Glaube nicht aufhöre.

Dann haben wir auch die Begebenheit auf dem See Genezareth vor Augen, als Petrus auf dem Wasser zu seinem Meister wandeln wollte, aber aus Furcht vor dem Wind und den Wellen scheiterte und im Begriff war, unterzugehen. Auch hier rettete ihn der Herr, als dieser zu ihm schrie, vor dem Tod. Aber er bezeichnete Petrus hier auch als „Kleingläubigen” und fragte ihn, warum er Zweifel zeigte. – Matthäus 14:30 und 31

Wir erkennen hier Parallelen zur Großen Schar-Klasse, die auf ihrem Weg der Nachfolge bis in den Tod aus Menschenfurcht oder einem Mangel an vollkommener Liebe, – die die Furcht austreibt, – in bestimmten Prüfungen nicht überwinden kann. Oft ist es auch neben Furcht und Zweifel eine Rückwendung zur Welt und ihren Bestrebungen, wie dies auch bildlich in dem Verhalten des Petrus in Erscheinung tritt, als er vom „Menschenfischer” wieder zu seinem Fischerhandwerk an den See Genezareth zurückkehren wollte. – Johannes 21:3

Die Große Schar wäscht vorbildlich ihre verunreinigten Kleider im Blut des Lammes und entkommt dem Zweiten Tod. Und auch Petrus wird durch das Eintreten Jesu für ihn vor dem Thron der Gnade vor dem Verderben bewahrt, das Judas ereilte. Jesus hatte zu Petrus gesagt, schon bevor dieser ihn verleugnete: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre, und wenn du einst zurückgekehrt bist (wenn du wieder als Menschenfischer tätig bist) so stärke deine Brüder.” – Lukas 22:32

Petrus bekam sozusagen eine zweite Gelegenheit, dem Herrn bis in den Tod zu folgen und seine unerschütterliche Treue unter Beweis zu stellen. Wir sehen später einen völlig dem Herrn ergebenen Petrus, der jede Menschenfurcht überwunden hat und Christus mutig vor den Menschen bekennt, und der leidet. Wenn wir nun Petrus in dieser Weise dem Jünger Johannes gegenüberstellen, und festhalten, daß beide zusammen liefen, so können wir hier eine Parallele oder ein Bild von beiden überwindenden Klassen sehen.

Neben Johannes und Petrus ist auch Jakobus mit auf dem Berg der Verklärung. Jakobus ist der erste der drei Jünger, der um der Wahrheit willen enthauptet wird, wie auch die Alttestamentlichen Überwinder als erste der drei Klassen, die im Königreich sein werden, lieber ihr Leben opferten, als Gott untreu zu werden. – Hebräer 11

Jakobus und Johannes waren Brüder, und standen somit in einer engen verwandtschaftlichen Verbundenheit, die wir auch zwischen den Alttestamentlichen Überwindern und den Neutestamentlichen Überwindern feststellen können. Wie diese aus Glauben gerechtfertigt und von Gott als gerecht gerechnet werden, so trifft dies auch auf die Nachfolger Jesu zu.

Johannes offenbart den Sohn Gottes

Johannes zeichnet sich nicht wie Petrus als ein Wortführer der Jünger aus, sondern er ist der liebevolle, beharrliche Nachfolger Jesu, der immer in der Nähe seines Herrn sein möchte, und dem „Lamm Gottes” folgt, wohin es auch geht, ja, auch auf dem letzten schmachvollen Weg zum Kreuz. War es um dieser vollkommenen Liebe wegen, daß der Herr, der in den Herzen der Jünger lesen konnte, ihn besonders liebte?

Die Stuttgarter Jubiläumsbibel bemerkt dazu: „Seine (Jesu) Reden sind ebenso geistestreu wie geistesfrei wiedergegeben von „dem Jünger, den Jesus lieb hatte” – das heißt, von seinem vertrautesten Jünger, dem die Klarheit Gottes im Angesicht Jesu Christi am hellsten in die Seele gestrahlt, am tiefsten das Herz ergriffen hatte.

Johannes erklärt selbst den Zweck der Niederschrift, des nach ihm benannten Evangeliums, mit den Worten: „daß ihr glaubt, Jesus ist Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.” – Johannes 20:31 In seinem Evangelium finden wir die Bezeichnungen „Sohn” und „Sohn Gottes” viel häufiger als in den synoptischen Evangelien.

Er allein überliefert die „Ich bin”- Bezugnahmen unseres Herrn. „Ich bin das Brot des Lebens” „das Licht der Welt” – „die Tür” – „der gute Hirte” – „die Auferstehung und das Leben” – „der Weg, die Wahrheit und das Leben” – und „der Weinstock”.

Er ist auch der einzige Evangelist, der von einigen Belehrungen unseres Herrn berichtet, die mit den feierlichen Worten beginnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch… ”

Nur Johannes bezeugt den Wortlaut des Hohenpriesterlichen Gebetes, in dem der Sohn den Vater für seine Mitbrüder bittet. Es ist die innigste Vater-Sohn-Beziehung, von der das Wort Gottes berichtet. „Ich bitte für sie; nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast, denn sie sind dein.” – Johannes 17:9 „Vater, ich will, daß die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin.” – Johannes 17:24

Johannes ist Augenzeuge vieler Begebenheiten, aber er ist noch mehr. Er ist der Augenzeuge, der uns viele Details von dem Leben und Sterben Christi berichtet, von denen Matthäus, Markus und Lukas nicht berichten. Er ist der Augenzeuge der Leiden, des Todes und der Auferstehung des Herrn.

Als Jesus nach seiner Gefangennahme von dem Hohenpriester verhört wird, betritt Johannes den Palast und führt auch Petrus hinein in den Hof. – Johannes 18:15 und 16 Er steht mit Maria unter dem Kreuz und ist Zeuge des Todes Jesu. „Und der es gesehen hat, (Johannes) hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr; und er weiß, daß er sagt, (was) wahr (ist), damit auch ihr glaubt.” – Johannes 19:35

Er ist Zeuge des leeren Grabes und der Auferstehung Christi. „Da ging nun auch der andere Jünger hinein, der zuerst zu der Gruft kam, und er sah und glaubte.” – Johannes 20:8

Schließlich ist es Johannes, der in dem „Fremden”, der sie am See Genezareth auffordert ihre Netze auszuwerfen, den auferstandenen Herrn erkennt. „Da sagte jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr!” – Johannes 21:7 Johannes bekennt am Ende seines Evangeliums: „Das ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und dies geschrieben hat; und wir wissen, daß sein Zeugnis wahr ist.” – Johannes 21:24

Der Apostel betont, daß er weiß, wovon er spricht, weil er Augenzeuge der für unseren Glauben so wichtigen Begebenheiten war. Während es für Matthäus wichtig war, Christus als König zu zeigen, für Markus als Knecht und für Lukas als Mensch, war es für Johannes wichtig, Christus als Sohn Gottes zu zeigen. Sein Evangelium beginnt entsprechend mit den Worten: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott.”

Wir bemerken, daß sich das Evangelium des Johannes in Form und Inhalt von den synoptischen Evangelien abhebt; – sein Evangelium wird als das geistigste bezeichnet – daß sich aber letztlich in seinen Aussagen über den Sohn Gottes, über seine Menschwerdung, seine Lehren, seine Überlieferung ans Kreuz und seine Auferstehung in wunderbarer Weise mit den übrigen Evangelien ergänzt. Alle Evangelisten wurden auch in ihren unterschiedlichen Berichten durch den Heiligen Geist Gottes geleitet – der sich selbst nicht widersprechen konnte.

Lukas zeichnet den weiteren Weg des Apostel Johannes in der Apostelgeschichte auf. Wir bemerken auch hier, daß Johannes mit Petrus zusammenarbeitet. Sie stehen im Brennpunkt der Auseinandersetzung mit dem Jerusalemer Judentum. Ihr Zeugnis für die „Auferstehung in Jesus” bringt sie vor den hohen Rat. – Apostelgeschichte Kapitel 4 Mit der Kraft des Heiligen Geistes, der in ihnen wirkt, legen sie für die Wahrheit Zeugnis ab.

„Als sie (die Obersten und Ältesten und Schriftgelehrten) aber die Freimütigkeit des Petrus und Johannes sahen und bemerkten, daß es ungelehrte und ungebildete Leute seien, verwunderten sie sich, und sie erkannten sie, daß sie mit Jesus gewesen waren.” – Apostelgeschichte 4:13

Es erfüllten sich hier die Worte Jesu: „Wenn sie euch aber vor die Synagogen und die Obrigkeiten und Machthaber führen, so sorgt euch nicht, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt! Denn der Heilige Geist wird euch in jener Stunde lehren, was ihr sagen sollt.” – Lukas 12:11 und 12

Dann werden Johannes und Petrus erneut verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Ein Engel Gottes befreit sie aus dem Gefängnis. Nach einem zweiten Verhör werden sie geschlagen und erneut entlassen. Danach begleitet Johannes Petrus nach Samaria, wo Philippus wirkte. – Apostelgeschichte 8:14

Johannes – der Empfänger der Offenbarung Jesu Christi

Das letzte Buch der Bibel beginnt mit den Worten: „Ich Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Bedrängnis und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus, war auf der Insel, die Patmos genannt wird, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.” – Offenbarung 1:9

Vermutlich wurde Johannes während der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Domitian auf die kleine Felseninsel Patmos verbannt. Hier in der Einsamkeit empfing er die Visionen der Offenbarung Jesu Christi, und es wurde ihm gesagt: „Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Gemeinden … Schreibe nun, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird.” – Offenbarung 1:11 und 19

In den sieben Gemeinden sehen wir auch sieben Abschnitte des Evangelium-Zeitalters dargestellt, in deren letzter, der Laodizea-Periode, wir nun leben. Die Schreiben sind an die einzelnen „Engel” oder wie wir sagen, „Sendboten” der jeweiligen Gemeinden in Kleinasien gerichtet. Es wird im allgemeinen angenommen, daß Johannes der Sendbote für Smyrna war, den zweiten Zeitabschnitt der siebenteiligen Kirchengeschichte.

Johannes wurde in Bildern und Visionen gezeigt „was bald geschehen muß”, dessen Erfüllung bereits in seinen Tagen ihren Anfang nahm. In seinen Sendschreiben an die sieben Versammlungen in Kleinasien werden nebeneinander Lob und Tadel, Warnungen und Verheißungen ausgesprochen. Dann wird auch die Entstehung des antichristlichen Systems gezeigt, die Verweltlichung der Kirche, die schon zu Lebzeiten des Apostels sich zu regen begann, wie wir aus seinen warnenden Worten in seinen Briefen in 1. Johannes 2:18 – 22, 4:3 und 2. Johannes 7 entnehmen können.

In 1. Johannes 2:15 – 17 warnt und ermahnt uns der Apostel unter der Leitung des Geistes: „Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches und der Hochmut des Lebens ist nicht vom Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Begierde; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.”

Im 1. Johannes 4:20 stellt der Apostel grundlegend fest: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, und haßt seinen Bruder, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, kann nicht Gott lieben, den er nicht gesehen hat. Und dieses Gebot haben wir von ihm, daß wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben soll.”

Wie grundlegend hat das Wort der Wahrheit aus dem Munde unseres Herrn die Denkungsart der Apostel verändert. Wir erinnern uns wie die „Donnersöhne” Johannes und Jakobus, am Anfang ihres Weges in der Nachfolge Christi Feuer vom Himmel regnen lassen wollten, weil die Samariter dem Herrn keine Unterkunft geben wollten. – Lukas 9:54

Alle Nachfolger Christi sind ohne Ausnahme durch Prüfungen und Erfahrungen gegangen. Sie wurden um der Wahrheit willen geschlagen und verspottet und zu Tode gebracht. Viele starben während der Verfolgungen der römischen Kaiser einen gewaltsamen Tod. Johannes scheint der einzige der Apostel gewesen zu sein, der eines natürlichen Todes starb – aber er war Gefangener auf der Insel Patmos „um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen”.

Das Johannes-Evangelium berichtet wie Jesus am See Genezareth zu Petrus spricht: „Folge mir nach!” Aber anstatt Petrus folgt Johannes sogleich Jesus nach. Dann lesen wir: „Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was (soll) aber dieser? Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!” – Johannes 21:20 – 22

Mögen auch wir, die wir in der zweiten Gegenwart Christi leben, in allem treu sein bis zuletzt, wie dieser Jünger, – den der Herr liebte.

Wir wollen diese Betrachtung über den Jünger Johannes mit den Worten Bruder Russells im Manna vom 11. Januar beenden: „Laßt uns, die wir das Vorrecht haben, in dieser Zeit der Gunst und Erleuchtung zu leben, dem Herrn Ehre geben und bestrebt sein, daß der liebende Charakterzug des Johannes in uns offenbar werde, sowie auch seine Energie und sein Eifer; denn wiewohl er der liebende Jünger genannt wird, so wurde er doch auch seines unermüdlichen Eifers wegen zusammen mit seinem Bruder Sohn des Donners, Boanerges, genannt. Laßt uns voller Energie sein, bereitwillig zu allen Opfern, die die Liebe bewirkt, damit wir den Herrn verherrlichen in unserem Leibe und in unserem Geiste, die sein sind.”